In memoriam Assia Djebar (1936-2015)
| 11. Februar 2015Am 6. Februar ist Assia Djebar, Doyenne der algerischen Schriftstellerinnen und Ehrendoktorin der Universität Wien, in Paris gestorben. Gemäß ihrem Wunsch wird sie in ihrer Geburtsstadt Cherchell (Algerien) beigesetzt.
Sie schrieb auf Französisch und war Mitglied der königlich-belgischen Akademie für französische Sprache und Literatur sowie Mitglied der Académie française. Aber sie wollte "zwischen den Sprachen" schreiben: zwischen der Sprache der Kolonialmacht und den beiden algerischen National- und Volkssprachen, der Berbersprache Tamasight und dem Arabischen Algeriens. Wenn sie zum Kalam griff, der Feder, so tat sie es um den Stimmlosen, den Frauen ohne Schulbildung und den Außenseitern, eine Stimme zu geben. Sie schrieb also zwischen der althergebrachten berberisch-arabischen Oralität des Maghreb und der Schriftlichkeit der dominierenden Sprachen Französisch und Hocharabisch.
Sie hatte Geschichte studiert, verfasste Romane, Novellen, Theaterstücke und Gedichte, war auch Filmemacherin. Es ist belanglos, sagte sie im Rahmen eines Vortrags 1998 bei der Österreichischen Gesellschaft für Literatur, in welcher Sprache – ob Muttersprache oder die der anderen – man schreibt, vorausgesetzt sie "fließt und heilt die Wunden", mit geschriebenen oder geschrienen Wörtern, "über dem Abgrund der gegen uns gerichteten Katastrophe, die in den Ländern da unten manchmal so greifbar nahe liegt".
Ich sage Dir Adieu, Assia, und sage auch, wie sehr ich unsere "Wiener Gespräche" schätzte (leider wurden sie nie aufgenommen), aber auch unsere Begegnung in Paris, als Dein Buch "Le Blanc de l’Algérie" herauskam, in dem Du von Deinen Freundinnen und Freunden erzählst, den Intellektuellen, die während des blutigen Jahrzehnts der fundamentalistischen Barbarei ermordet wurden.
Ich sehe Dich wieder, in dem Film, den Kamel Dahane über Dich gemacht hat. Du lehnst am Geländer einer Terrasse oberhalb der Casbah, über der Bucht von Algier, wie eine Figur aus einem Bild des Miniaturmalers Mohammed Racim, oder wie eine der Frauen aus Deinem Roman "L’Amour, la fantasia", nach einem Hoffnungsschimmer Ausschau haltend.
Von solchen Terrassen aus, in Cherchell, Algier oder Annaba, wie auch überall in Deinem Land erklingen die Youyous von tausenden Frauen und Mädchen, Deinen Töchtern und Enkelinnen, als Huldigung und letztes Geleit. Aus dem Arkadenhof der Universität Wien, welche Dir die Ehre erwies, Dich unter ihre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufzunehmen, stimme auch ich mein Youyou an und sage Dir: Ruhe in Frieden, Assia, angesichts des Meeres und der Winde von weit draußen.
Zohra Bouchentouf-Siagh für das Institut für Romanistik der Universität Wien
(aus dem Französischen übersetzt von Fritz Peter Kirsch)
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