In memoriam Ingrid Kretschmer (1939-2011)

Die Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie trauert um Ao. Univ.-Prof. Dr. Ingrid Kretschmer, die am 22. Jänner 2011 in Linz an den Folgen eines langen, schweren Nervenleidens verstorben ist.

Mit Ingrid Kretschmer verliert die Universität Wien eine bedeutende Persönlichkeit, die das wissenschaftliche Leben in der Geographie und Kartographie in Forschung und Lehre maßgeblich geprägt hat. Als akademische Lehrerin hat sie ganze Generationen von AbsolventInnen ausgebildet Als Forscherin hat sie ein beeindruckendes Lebenswerk, das nahezu 300 Titel umfasst, hinterlassen. In den späteren Jahren ihres Forscherlebens befasste sie sich zunehmend mit der Geschichte der Entdeckungen und der Kartographie und machte sich damit um die Bewahrung der Kontinuität in diesen Fachbereichen besonders verdient.

Ingrid Kretschmer studierte Geographie/Kartographie und Europäische Ethnologie an der Universität Wien, promovierte 1964 und habilitierte bei Erik Arnberger 1975 für "Geographie mit besonderer Berücksichtigung der Kartographie". Seit 1966 war sie Mitglied des Instituts für Geographie der Universität Wien.

Ihr wissenschaftliches Œuvre umfasst rund 250 Publikationen, darunter mehrere Bücher zu kartographischen Themen ("Wesen und Aufgaben der Kartographie, topographische Karten", Wien 1975; "Lexikon zur Geschichte der Kartographie", Wien 1986; "Atlantes Austriaci", Wien 1995, "Österreichische Kartographie", Wien 2004) sowie zahlreiche Artikel in den wichtigsten Fachjournalen der Geographie und Kartographie.

Ingrid Kretschmer war Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Kartographie (seit 1995), Ehrenpräsidentin der Österreichischen Geographischen Gesellschaft (seit 2006), Trägerin der Mercator-Medaille (seit 2004) und Director of Imago Mundi (London, seit 1993).
Die Forscherin war über 35 Jahre die "Seele" der Österreichischen Geographischen Gesellschaft (ÖGG), je länger desto intensiver. Sie war seit 1975 Vorstandsmitglied, zehn Jahre lang über vier Präsidentschaften hinweg Generalsekretärin, insgesamt fünf Jahre Vizepräsidentin und sieben Jahre (1997 – 2004) unsere Präsidentin.

In Anerkennung ihrer Verdienste um die ÖGG wurde sie 2006 anlässlich der 150-Jahrfeier der ÖGG zur Ehrenpräsidentin ernannt. Die ÖGG war neben ihrem wissenschaftlichen Engagement an der Universität Wien ihr wichtigster Lebensinhalt, und sie hat mit der ganzen Kraft ihrer Person in permanenter Präsenz, in unermüdlicher Aktivität und mit fast grenzenlosem Einsatz für die Gesellschaft gewirkt.

Ganz besonders hervorzuheben sind der Aufbau und die Leitung des Selbstverlages der ÖGG und dabei vor allem die Betreuung der "Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft", mit den jeweiligen Schriftleitern, und zahlreicher Sonderpublikationen; nicht zuletzt die Herausgabe der Chronik der ÖGG "Österreich in der Welt – die Welt in Österreich" zum 150-Jahr-Jubiläum. Ein wichtiger Schritt war auch der Transfer der großen und sehr wertvollen Bibliotheksbestände der ÖGG in die Staatsbibliothek, die dort in einer entsprechenden Umgebung lagern und auch zur Benutzung zugänglich sind. Ein Geniestreich war die Gründung der Jungen ÖGG, mit der versucht wurde, Studierende und damit jungen Nachwuchs in die ÖGG zu bringen. Wir trauern damit um eine der engagiertesten Personen, die die ÖGG je hatte.

Für ihre herausragenden Leistungen in Forschung und Lehre, im Vereins- und Wissenschaftsmanagement sind wir Ingrid Kretschmer zu großem Dank verpflichtet. Wir waren aber auch von ihren besonderen menschlichen Qualitäten tief beeindruckt: ihrem leidenschaftlichen Engagement für die gute Sache, ihrem Arbeitsethos, ihrer Redlichkeit und Hilfsbereitschaft und ihrem kultivierten Umgang mit den Menschen. Sie wird uns stets ein großes Vorbild bleiben.

Ao. Univ.-Prof. Dr. Christian Staudacher, Präsident der Österreichischen Geographischen Gesellschaft, für die Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie


Die Beerdigung findet am Mittwoch, 2. Februar 2011, um 14 Uhr auf dem Friedhof Meidling in Wien statt.
Zur Traueranzeige (PDF)