Von royaler Pracht und weiblicher Macht
| 06. Dezember 2010Mode und Macht, Geschlecht und Körper sind die Themen des interdisziplinären Symposiums "Fashionable Queens", das am Freitag und Samstag, 3. und 4. Dezember 2010, internationale ModetheoretikerInnen ans Institut für Anglistik und Amerikanistik lockt. "uni:view" (ehem. "dieUniversität-online") sprach mit den beiden Organisatorinnen - Monika Seidl vom Institut für Anglistik und Amerikanistik und Eva Flicker vom Institut für Soziologie - sowie mit Elisabeth Bronfen von der Universität Zürich, die auf der Tagung über die "Fashionable Portraits" von Queen Elizabeth I. referieren wird.
Redaktion: Das zweitägige Symposium "Fashionable Queens. Body - Power - Gender" wurde von einer Tagung zum Thema "Queens: Power, Body, Theatricality" inspiriert, die im Juni 2009 von Elisabeth Bronfen und Barbara Straumann an der Universität Zürich veranstaltet wurde. Was verbindet die beiden Tagungen?
Monika Seidl: Die Tagung in Zürich hat sich mit unterschiedlichen Konfigurationen von Queenship beschäftigt, die von barocken Königinnen über Dollarprinzessinnen bis zu armseligen Königinnen-für-einen-Tag im US-amerikanischen Daytime-TV der 50er Jahre reichten. Diese Queens-for-a-Day habe ich in meinem Vortrag zurück an die Öffentlichkeit geholt. Unser aktuelles Symposium hat den Fokus zugespitzt, indem hier Kleidung und Mode im Zusammenhang mit Queenship im Mittelpunkt stehen.
Elisabeth Bronfen: Meine Kollegin Barbara Straumann und ich wollen als Nachfolgeband zu unserem Buch "Die Diva: Geschichte der Bewunderung" eine weitere Studie schreiben, diesmal zu Königin Elizabeth I. als "die erste Diva". Beide Tagungen beschäftigen sich mit der Frage, wie am Körper von Königinnen eine Theatralisierung von Macht kulturell verhandelt wird.
Eva Flicker: Ich habe die Ehre, zu den wissenschaftlichen Queens hinzu stoßen zu dürfen - in Zürich war ich nicht dabei. Jetzt in Wien haben wir das wissenschaftliche Spektrum um die Soziologie erweitert.
Redaktion: Könnten Sie bitte die inhaltliche Klammer "Body - Power - Gender" und den Zusammenhang mit Mode ein wenig erläutern?
Seidl: Über Mode und Kleidung werden Identitätskonstruktionen verhandelt, wozu auch Versionen von Weiblichkeit und Männlichkeit zählen. Welche Erwartungen die Kleidung betreffend werden an mächtige oder auch öffentliche Körper beziehungsweise Menschen gestellt? Wie verändern sich die Silhouetten von Körpern durch Kleidung, wie z.B. Schulterpolster in der Frauenmode? Welche Körperhaltungen ermöglicht Kleidung? War der Minirock in den 60er Jahren wirklich so revolutionär, wenn er Frauen eigentlich nur zum Sitzen mit eng zusammengepressten Beinen "ermächtigte"? Das sind ein paar Fragen, die mich an der Mode interessieren.
Redaktion: Bleiben wir bei den Stichworten Körper, Macht und Mode: Wer - in Geschichte oder Gegenwart - fällt Ihnen in diesem Zusammenhang zuerst ein, und warum?
Flicker: Ich denke an viele erfolgreiche Frauen, die in der medialen Öffentlichkeit ganz kritisch betrachtet oder auch hyperstylisiert werden - während oder weil sie in machtvollen Positionen sind. Wir erleben teilweise hoch ambivalente Konstruktionen aus Bewunderung und Abwertung - diese Brüche interessieren mich.
Bronfen: Queen Elizabeth I., zum einen weil die Mode in ihren Porträts eine zentrale Rolle spielt. An den Kleidern, dem Schmuck, dem geschminkten Gesicht, so die These von Barbara Straumann und mir, lässt sich eine komplexe Semiotik von Weiblichkeit und politischer Macht ablesen. Zugleich markiert Queen Elizabeth I. auch den Beginn einer filmischen "Modeerscheinung", nämlich einer besonderen Art des historischen Films: dem Königinnenfilm.
Redaktion: War Elizabeth I. eine Diva?
Bronfen: Barbara Straumann und ich sind der Ansicht, dass das so ist. Aber ich will nicht zuviel verraten: In unserem Vortrag "Wearing Prada in the Renaissance. Queen Elizabeth I and her Fashionable Portraits" am Freitag, 3. Dezember 2010 um 16.30 Uhr werden wir unsere These vorstellen.
Redaktion: Wie würden Sie den heutigen Diva-Begriff definieren?
Bronfen: Diven stellen eine Verkörperung unserer Begehren dar; sie tragen unsere privaten Phantasien in die Öffentlichkeit.
Redaktion: Was sind besonders faszinierende Aspekte der Forschungsthemen Queenship bzw. Fashion?
Bronfen: Politische Macht wird meist männlich gedacht. Königinnen bedeuten in diesem Umfeld eine Intervention. Elizabeth I. hat von sich behauptet, sie sei sowohl ein Mann, was ihren Mut anbelangt, aber zugleich auch eine Frau, was ihr Herz betrifft. In diesem Spannungsfeld befinden sich viele der Filme und literarischen Texte, die von Königinnen erzählen.
Seidl: Was mich selbst derzeit wissenschaftlich sehr interessiert, ist die Frage, wie Mode, Kleidung und Accessoires in fiktionalen Texten vorkommen. Dazu gibt es in der Forschung recht wenig. Henry James, der amerikanisch/britische Schriftsteller diskutiert beispielsweise in "Bildnis einer Dame" ("A Portrait of a Lady") die Frage, was nun Kleidung ausdrücke, die Person oder den Schneider? Das sind recht spannende Fragen für einen Roman aus dem Jahr 1881. Ich biete auch Lehrveranstaltungen zu Mode, Geschlecht und Körper für Lehramtsstudierende des Unterrichtsfachs Englisch an, damit auch im Schulunterricht die Bedeutung von Kleidung und Mode in Bezug auf Geschlechter- und Identitätskonstruktionen nicht zu kurz kommt.
Flicker: Wir haben es bei Fashion nur scheinbar mit etwas Oberflächlichem zu tun. Soziologisch betrachtet geht es dann aber um gesellschaftliche Inklusion und Exklusion, um Macht und Herrschaft, ganz besonders um Geschlechterverhältnisse und Heteronormativität, um Codes und Botschaften, Traditionen, etc. Und nicht zuletzt spielen Visualisierungen und Medien eine wesentliche Rolle!
Redaktion: Stichwort Macht: Kann Kleidung Politik sein?
Bronfen: Ja, Kleidung ist ein Insignium der Macht.
Flicker: Das ist eine spannende Frage, auf die ich am Samstag um 16 Uhr in meinem Beitrag "Costumes of Power: Femal Politicians walking the Tightrope" auch eingehen werde. Darin werfe ich einen soziologischen Blick auf Frauen in führenden politischen Rollen, die unter der Beobachtung der Öffentlichkeit stehen.
Redaktion: Das klingt insgesamt nach einem sehr bunten Programm … Worauf freuen Sie sich besonders?
Seidl: Die teilnehmenden Sozial- und KulturwissenschafterInnen beleuchten Mode-Ikonen aus Vergangenheit und Gegenwart und widmen sich Persönlichkeiten wie Elisabeth I., Jackie Kennedy oder Angela Merkel. Ich bin auf alle Vorträge gespannt, wobei ich keinen besonders hervorheben möchte - es werden interessante und diskussionsreiche zwei Tage! Besonders freut mich, dass durch meine Mitorganisatorin Eva Flicker auch eine soziologische Perspektive mit hereingebracht wurde.
Flicker: Es ist ein sehr anspruchsvolles Programm - wir sind stolz, dass wir so viele tolle Gastvortragende gewinnen konnten! Ich freue mich darauf, mich für zwei Tage aus dem Alltagstrubel ausklinken zu können, um zuzuhören, zuzuschauen und Zeit für Diskussionen zu haben. Schön ist, dass auch eine junge Kollegin, Monica Titton, zum Thema ihrer Dissertation sprechen wird - sie beschäftigt sich mit der Konstruktion von Mode und Stil in Internet-Blogs. (br)
Prof. Dr. phil. Elisabeth Bronfen ist Professorin für englische und amerikanische Literatur an der Universität Zürich. Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Eva Flicker lehrt und forscht am Institut für Soziologie und organisiert das Symposium gemeinsam mit Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Monika Seidl, die am Institut für Anglistik und Amerikanistik tätig ist.
Symposium: Fashionable Queens. Body - Power - Gender
Freitag, 3. Dezember und Samstag, 4. Dezember 2010
Institut für Anglistik am Campus der Universität Wien, Hof 8
Spitalgasse 2-4, 1090 Wien
Programm (PDF)
Nähere Informationen im Artikel "Fashionable Queens: Geschlecht, Macht und Körper"
Elisabeth Bronfen und Barbara Straumann (Universität Zürich): "Wearing Prada in the Renaissance: Queen Elizabeth I. and her Fashionable Portraits"
Freitag, 3. Dezember 2010, 16.30 bis 18.30 Uhr
Unterrichtsraum, Institut für Anglistik am Campus der Universität Wien, Hof 8
Eva Flicker (Universität Wien): Costumes of Power: Female Politicians walking the Tightrope
Samstag, 4. Dezember 2010, 16 bis 18 Uhr
Unterrichtsraum, Institut für Anglistik am Campus der Universität Wien, Hof 8
Abstracts
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