Coronavirus: Schulstart mit Gurgeltests

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bildungsminister Heinz Faßmann, erklärt Mikrobiologe Michael Wagner, warum es wichtig sei, mit Gurgeltests zu untersuchen, wie viele Kinder mit dem Coronavirus infiziert sind. Die Tests sind Teil des Schulstart-Konzepts, das Faßmann präsentierte.

Ein erneutes Umstellen auf Heimunterricht bei regionaler Zunahme an Covid-19-Infektionen an Österreichs Schulen wird es erst ab der Corona-Ampelfarbe "rot" geben. Für Schüler*innen der Sekundarstufe II, also ab rund 14 Jahren, kann Distance-Learning schon früher wieder Realität werden. Das Gesundheitsministerium kündigt den Start des Normalbetriebs der "Corona-Ampel" für Anfang September an. Man brauche hier noch die "klare Definition, ab wann die Ampelfarben springen", so Bildungsminister Faßmann: "Unsere Ambition ist, uns der Ampelfarbe anzupassen."

Im Rahmen der Pressekonferenz sortierte Michael Wagner, Leiter des Zentrums für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Uni Wien, zwischen Fake News und echten Fakten und präsentierte die Gurgel-Tests, die im Rahmen der "Vienna COVID-19 Diagnostics Initiative" (VCDI) – einem Zusammenschluss von 21 Wiener Forschungsinstituten unter der Leitung von Alwin Köhler von den Max Perutz Labs der Uni Wien und der MedUni Wien – entwickelt wurden.

Auch jüngere Kinder seien hervorragend in der Lage, "perfekte Proben" abzugeben, die dann von Labors analysiert werden. Diese Tests seien nachweislich ebenso verlässlich wie Rachentests. Hier gehe es um die wissenschaftliche Erarbeitung des Hintergrundwissens. Sobald ein Infektionsfall auftauche, gehe die Information sofort an die Gesundheitsbehörden, die wiederum für die entsprechenden Maßnahmen zuständig seien.

Notbetrieb der Schulen bei roter Ampel gewährleistet

"Ich will ab Herbst einen normalen Regelbetrieb an Schulen", so Minister Faßmann, der einen Start "ohne Schichtbetrieb" und "ohne halbe Klasse" ankündigte. Insgesamt gelte es, großflächige Schulschließungen zu vermeiden, auch wenn es wahrscheinlich zu einzelnen Schließungen kommen werde.

Steht die Ampel auf "rot" und es kommt zum allgemeinen Lockdown in einem politischen Bezirk, gibt es für alle Schüler ein Comeback des Distance-Learnings. Steht die Ampel auf "grün", soll es an den Schulen weitestgehend Normalbetrieb geben. Ab Ampelfarbe "orange", die laut Faßmann "eine deutliche Ausweitung der Infektion" bedeutet, wechseln die Sekundarstufen-II-Schüler*innen dann in den "flexiblen" Heimunterricht.

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Lüften im 20-Minuten-Takt

Insgesamt sollen beim Wiedereinstieg in den Schulbetrieb vor allem Kontakte innerhalb der Klasse dominieren, um die möglichen Verbreitungswege in engeren Grenzen zu halten. "Das hat konkrete Auswirkungen, beispielsweise bei der Pausengestaltung", so der Minister. Neben dem Einhalten der Empfehlungen zum Händewaschen, zur Hust- und Nieshygiene sowie zum Abstandhalten, soll auch während des Unterrichts im 20-Minuten-Takt gelüftet werden. Man folge hier den Ratschlägen von Expert*innen, um die Aerosol-Last in der Raumluft zu reduzieren, sagte Faßmann.

Monitoring-Programm mit Gurgel-Methode 

Zeigt ein/e Schüler*in Symptome eines COVID-19-Infekts, für den es keine andere einleuchtende Ursache gibt, gilt es zuhause zu bleiben. Bei einem Verdachtsfall in der Klasse wird das betroffene Kind abgesondert und die Gesundheitsbehörden informiert. Diese entscheidet dann, ob die Abklärung vor Ort erfolgt und über Testungen von Kontaktpersonen.

Um einen Überblick über das tatsächliche Infektionsgeschehen an den Schulen zu haben, wird es ein Schulmonitoring geben. Dabei werden alle drei Wochen in Zusammenarbeit mit mehreren Unis 15.000 Schüler*innen und 1.200 Lehrer*innen an 250 Schulen in ganz Österreich per schmerzfreier Gurgelmethode getestet. Immerhin könnten sich Kinder ebenso leicht anstecken wie Erwachsene und könnten das Virus auch weitergeben, würden allerdings meist asymptomatisch erkranken, betonte Mikrobiologe Michael Wagner von der Uni Wien bei dem Pressetermin die Wichtigkeit des Testprogramms. "Dieses Monitoring-Programm dient dazu, herauszufinden, wie viele Kinder wirklich infiziert sind, welche Effekte das hat und welche Maßnahmen es daher allenfalls künftig noch braucht an den Schulen", so Michael Wagner.

Gemeinsam Virus eindämmen

Vor allem im Winter, wenn Kinder husten und schnupfen und damit mehr infektiöse Tröpfchen und Aerosole erzeugen, könnten sie das Virus dann auch öfter weitergeben. Das Screening ermögliche dann einzuschätzen, ob die bisher getroffenen Maßnahmen für einen sicheren Schulbetrieb ausreichen oder ob nachgeschärft werden muss. Schulen seien jedenfalls keine "Insel der Seligen", betonte Wagner, das Infektionsgeschehen der gesamten Gesellschaft werde sich auch dort abbilden. Wenn es also möglichst nicht zu Schulschließungen kommen solle, müssten alle mithelfen und die Verbreitung des Virus so gut wie möglich eindämmen helfen. (APA/red)

Michael Wagner ist seit 2003 Professor an der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien und seit 1. März 2019 Leiter des neuen Zentrums für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft. Geboren 1965 in München, studierte und promovierte er an der TU München und arbeitete anschließend als Postdoc an der Northwestern University, Evanston, USA. Danach kehrte er an die TU München zurück, wo er sich 2000 habilitierte und bis 2002 die Arbeitsgruppe "Mikrobielle Ökologie" leitete. 2019 wurde er mit dem Wittgenstein-Preis ausgezeichnet.