Fast forward: Wie leben wir 2030?
| 18. Juni 2019Selbstfahrende Autos, Pflege-Roboter, Bildung per Mausklick: Was macht das mit uns? Darüber diskutieren der Informatiker Peter Reichl, der Bildungswissenschafter Fares Kayali, die Soziologin Michaela Pfadenhauer und der High-Tech-Unternehmer Georg Kopetz im aktuellen Alumni-Magazin.
Christoph Varga (Moderator): Frau Pfadenhauer, wie leben wir im Jahr 2030? Wird sich im Vergleich zu heute tatsächlich so viel ändern?
Michaela Pfadenhauer: 2030 liegt gar nicht so weit in der Zukunft. Was sich sicher verstärken wird, ist, was wir SoziologInnen als Kommunikationsgesellschaft bezeichnen. Die Gesellschaft war immer schon eine geschwätzige, und im Grunde ist Digitalisierung ein ganz starker Treiber für Kommunikation. Wir alle sind permanent über Medien mit ungeheuer vielen Leuten in Kontakt. Aber das Spannende an der Technik, mit der wir uns heute beschäftigen, ist, dass sie selbst noch einmal einen extremen Beitrag zu dieser Kommunikation leistet. Das heißt, wir kommunizieren tatsächlich nicht mehr nur mit menschlichem Gegenüber, sondern auch mit technischem Gegenüber, und das wird sich sicher in den nächsten zehn Jahren noch deutlich bemerkbar machen.
"Dass man sagen könnte, wir haben schon eine Welt, wo die Robotik tatsächlich losgelassen wäre, davon sind wir tatsächlich sehr, sehr weit entfernt", sagt Michaela Pfadenhauer vom Forschungsschwerpunkt Social Robotics und Vorständin des Instituts für Soziologie an der Universität Wien. (© Suchart Wannaset)
Varga: Herr Reichl, wie wird sich Ihr Leben verändert haben in zehn, elf Jahren, 2030?
Peter Reichl: Ach, meins gar nicht. Das liegt daran, dass ich kein Smartphone besitze.
Varga: Wie kommunizieren Sie dann?
Reichl: Ich spreche mit Menschen. Ich glaube allerdings, zehn Jahre sind ungeheuer viel Zeit. Vor zehn Jahren haben wir das iPhone eingeführt, ich habe mir sagen lassen, es habe die Kommunikationsgewohnheiten vieler Menschen sehr verändert. Man kann die Fragestellung "Wie sieht die Welt aus?" wissenschaftlich angehen. Und da muss ich sagen, wir sind vermutlich mitten auf dem Weg in ein digitales Schlaraffenland. Ein Teil der Bevölkerung wird damit völlig unglücklich sein, sich davon abspalten und sich in so eine Art "Analog ist das neue Bio" flüchten. Und das wird die Gesellschaft spalten. Jetzt sind wir möglicherweise an einem Scheidepunkt, wo noch nichts verloren ist, aber sich die Wege trennen werden. Und es liegt tatsächlich an uns, diese Entscheidung zu treffen, eine politisch-gesellschaftliche Entscheidung.
"In jedem Artikel über die Digitalisierung lesen wir: Die Digitalisierung kommt bzw. sie ist da, es heißt nie, wir machen sie", meint Peter Reichl, Leiter der Forschungsgruppe Cooperative Systems an der Fakultät für Informatik, Universität Wien. (© Suchart Wannaset)
Varga: Herr Kayali, Sie arbeiten im Bereich Digitalisierung in der Bildung, wie wird sich die Welt ändern?
Fares Kayali: Ich stelle mir vor, wir werden alle ganz fit sein, mit Fitnesstrackern, sportlich sein, viel gehen, abnehmen. Die besonders Fitten unter uns bekommen einen Bonus in der Sozialversicherung. Waren viele von Ihnen schon mit Schulwahl von Kindern konfrontiert? Das müssen wir auch nicht mehr machen. Learning Analytics, die entscheiden das für uns, sehr bequem.
In diesen Themen stecken sehr viele emotionale Unsicherheiten. Ängste, die mit der Frage einhergehen: "Was ist, wenn ich nicht zu diesen Fitten gehöre?" Das kann dann zu dieser ganz harschen Trennung führen, die wir teils heute schon erleben. Deswegen ist ganz wichtig, Menschen aus dieser Unsicherheit heraus abzuholen und Mitgestaltung zu ermöglichen. Die Mitgestaltung ist etwas, das nicht mehr nur in der Informatik liegt, das muss sich über alle Fachdisziplinen erstrecken, dieses Gefühl der Verantwortlichkeit muss sich auf uns als Einzelne übertragen.
"Dieses Gefühl der Verantwortlichkeit muss sich auf uns als Einzelne übertragen", sagt Fares Kayali, Professor für Digitalisierung in der Bildung am Zentrum für LehrerInnenbildung der Uni Wien. (© Suchart Wannaset)
Varga: Herr Kopetz, mit Digitalisierung meinen wir ja eigentlich eine digitale Revolution, ähnlich wie die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert. Damals war die Eisenbahn das neue Verkehrsmittel, das vieles verändert hat. Momentan gehen wir alle davon aus, dass autonomes Fahren Transport und Fortbewegung verändern könnte. Sie arbeiten genau in dem Bereich, was kommt auf uns zu?
Georg Kopetz: Ich glaube, beim autonomen oder automatisierten Fahren ist es besonders ersichtlich. Wir als Unternehmen beschäftigen uns damit, Maschinen intelligent zu machen. Maschinen werden mit Sinnesorganen ausgestattet, sie können beispielsweise hören und sehen und damit besser auf ihre Umgebung und auch auf den Menschen eingehen. Die Sensorik wird mit der Bewegung der Maschine verbunden. Wir machen das nicht nur im Bereich Automobil, sondern auch im Bereich der Baumaschinen, der Drohnen oder eines autonomen Raumschiffs, das Menschen sicher um den Mond herumfliegen wird.
"Ich kann mir gut vorstellen, dass Commuter Robot Taxis 2030 auch in Wien bereits Realität sind", so Georg Kopetz, Mitgründer und Vorstand von TTTech, Alumnus der Rechtswissenschaften an der Universität Wien. (© Suchart Wannaset)
Ich glaube, was wir 2030 erleben werden, ist, dass wir den Menschen neu entdecken müssen. Eine Maschine ist kein Mensch, eine Maschine ist nicht wirklich intelligent, auch wenn wir ihr Intelligenz zusprechen, aber wir werden von der Unterstützung der Maschinen sehr stark profitieren können. Ich glaube, was wir in den nächsten zehn Jahren erleben werden, wird das, was wir in den letzten 50 Jahren erlebt haben, noch einmal in den Schatten stellen.
Lesen Sie den gesamten Beitrag in der Juni-Ausgabe von univie, dem Alumnimagazin der Universität Wien. Das ungekürzte Podiumsgespräch zum Nachhören finden Sie unter alumni.ac.at/lounge10