Fledermausschutz in Zeiten von Corona

Fledermaus Madagaskar-Rundblattnase

Fledermäuse werden medial immer wieder mit dem Ausbruch von COVID-19 in Verbindung gebracht. Welche gravierenden Folgen diese undifferenzierte Fehlinformation über eine bedrohte Tiergruppe haben kann, erklärt Bea Maas vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung.

Die COVID-19 Pandemie hat sich rasant um den Globus verbreitet, mit massiven Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, Wirtschaftssysteme und die Forschung. Unter anderem sind auch Naturschutzaktivitäten stark von den Auswirkungen der Krise betroffen. Besonders deutlich wurden diese Auswirkungen für die Forschung und den Schutz von Fledermäusen: Zahlreiche Fehlinformationen und fehlgeleitete Ängste sind entstanden, weil Fledermäuse immer wieder mit dem Coronavirus in Verbindung gebracht wurden.

Internationale Forscher*innen haben nun dazu Richtlinien für Forschung, Kommunikation und Praxis veröffentlicht, um über Wechselwirkungen von Menschen und Fledermäusen aufzuklären und deren gemeinsamen Schutz zu fördern.

Hilfreiche Fakten und gefährliche Fiktionen

Die Zusammenhänge, die zwischen dem aktuellen Coronavirus (2019-nCoV) und Fledermäusen im Allgemeinen gezogen und über die Medien verbreitet werden, sind weitgehend undifferenziert, wissenschaftlich nicht haltbar und bedrohlich für den Naturschutz. Wir haben als Wissenschafter*innen drei Kernbotschaften definiert, die es bei der Diskussion zu beachten gilt:

  • Der Ursprung und die Übertragung von Viren von Wildtieren auf den Menschen sind wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt, weitere Forschungsarbeiten laufen.
  • Übertragungen von Viren sind vor allem auf menschliche Aktivitäten, insbesondere die Zerstörung natürlicher Lebensräume und mangelnde Hygienemaßnahmen zurückzuführen.
  • Fledermäuse stellen eine stark bedrohte Artengruppe mit zahlreichen Nützlingen dar, deren Schutz stark unter undifferenzierten Darstellungen und Fehlinformationen leidet.

Als Mitherausgeberin der Fachzeitschrift "Biological Conservation" habe ich zwei internationale Fachexperten eingeladen, einen kürzlich erschienenen Artikel über die fachgerechte Kommunikation über Fledermäuse und deren Schutz in Zeiten von Corona zu veröffentlichen. Die Autoren fassten darin lösungsorientierte Richtlinien anhand aktueller Problembereiche grafisch zusammen.

Bedrohte Artenvielfalt

Durch Fehlinformationen kam es weltweit zu Tötungen von Fledermäusen, die aufgrund mangelnder Fachkenntnis und fehlender Hygienemaßnahmen Risiken für Mensch und Naturschutz bergen.
Wissenschafter*innen, die an diesem Thema forschen, sind sich aktuell einig, dass das Coronavirus auf Wildtiermärkte zurückzuführen ist, auf denen unterschiedlichste Tierarten teilweise illegal und unter schlechten Haltungs- und Hygienebedingungen gehandelt werden. Verallgemeinerungen für gesamte Tiergruppen zu ziehen, ist weder wissenschaftlich sinnvoll noch zielführend bei der Suche nach Lösungen, sondern vielmehr bedenklich für den Naturschutz.

In einer aktuellen Publikation in der Fachzeitschrift "Animal Conservation" klären meine Forscherkolleg*innen und ich über die bestehende Sachlage und die Notwendigkeit weiterführender Forschung und Schutzmaßnahmen von Fledermäusen auf. Einerseits verdeutlicht der Artikel, dass es dringend mehr Forschung zu möglichen Ursachen und Übertragungswegen in Bezug auf übertragbare Krankheiten zwischen Mensch und Tier (sogenannte "Zoonosen") braucht. Andererseits appellieren wir für die Förderung lösungsorientierter Forschungsansätze.

Schädlingskontrolle durch Fledermäuse

Etwa ein Drittel der ungefähr 1.400 bekannten Fledermausarten sind als gefährdet eingestuft oder für eine Einstufung zu wenig erforscht. Als Ökologin erforsche ich seit über zehn Jahren die nützlichen Funktionen, die Vögel und Fledermäuse unter anderem in der Landwirtschaft leisten. Durch natürliche Schädlingskontrolle, sowie die Bestäubung und Verbreitung von vielen Pflanzenarten, sind Federmäuse ein wesentlicher Bestandteil intakter Ökosysteme und können zur Förderung von nachhaltiger Landwirtschaft beitragen.

In den USA schätzt man den wirtschaftlichen Wert solcher Ökosystemdienstleistungen von Fledermäusen, die Getreideschädlinge vertilgen, je nach Region auf vier bis 53 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Fledermäuse fressen auch zahlreiche andere Insekten wie beispielweise Stechmücken und leisten einen wertvollen Beitrag zur Bestäubung und Verbreitung von Pflanzen.

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Fachverbände in ganz Europa bestätigen, dass von heimischen Fledermausarten keine Gefahr durch das Coronavirus ausgeht, da es auch keine Hinweise für das Vorkommen entsprechender Virenstämme gibt. Sie appellieren für Artenschutz und differenziertere Berichterstattung. COVID-19 wird von Mensch zu Mensch übertragen und Lösungen für die schweren Folgen dieser Pandemie sind laut internationalen Expert*innen vielmehr durch innovative Zusammenarbeit zum Schutz der Natur als in deren Bekämpfung und der Verfolgung einzelner Tierarten zu finden.

Dr. Bea Maas arbeitet und lehrt als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Department für Botanik und Biodiversitätsforschung. Ihr Forschungsschwerpunkt sind Ökosytemleistungen von Vögeln und Fledermäusen in weltweiten Agrarlandschaften. ( © privat)