Über den Dächern
| 24. August 2010Im Film sind Dachböden meist mit Gerümpel und geheimen Schätzen vollgestopft. Der Speicher im Hauptgebäude der Universität Wien ist überraschend leer: Er enthält vor allem Lüftungsanlagen und Lichtfenster für die Hörsäle in den unteren Stockwerken. Trotzdem hat sich die "exklusive Liftfahrt" bis unters Dach gelohnt: Gemeinsam mit Gerhard Meidl von der BIG, der für die Instandhaltung der Technikräume zuständig ist und deshalb im Dachboden ein- und ausgeht, haben wir uns oben umgeschaut und einen Blick aus den Dachluken gewagt.
Mit dem Lift bis ins Dachgeschoß fahren - das können nur berechtigte MitarbeiterInnen. Für die Redaktion der Online-Zeitung hat Gerhard Meidl von der BIG eine Ausnahme gemacht: Wir durften ihn mit Fotoapparat und Aufnahmegerät bewaffnet auf einem seiner täglichen Kontrollgänge durch die höchstgelegenen Räumlichkeiten der Universität Wien begleiten. Für Befugte ist der Dachboden von überall im Hauptgebäude rasch zu erreichen: "Neben zwei Liften und den beiden Aufzügen in den Büchertürmen führen mehrere Treppen bis ganz nach oben", so Meidl.
Im Dachboden wechseln sich dunkle, von wenigen Dachluken durchbrochene Räume mit lichtdurchfluteten Bereichen ab. Rechts im Bild blicken wir von oben auf das Deckenlicht im Hörsaal 41, in dem gerade eine Vorlesung stattfindet. Auf diese Weise werden viele der Hörsäle im Hauptgebäude mit Tageslicht versorgt. Die Studierenden werden sich allerdings gewundert haben, wer da über ihren Köpfen herumgeistert ...
"Bergtour" durch den Uni-Speicher: Die verschiedenen Räume und Bereiche sind durch Brücken und Steige miteinander verbunden - wie man es sich von luftigen Höhen erwartet ...
... und dort darf natürlich auch ein Hochsitz nicht fehlen: Aber hier wurde nicht etwa auf Tauben und Turmfalken Jagd gemacht - der Ausguck direkt unterm Dach war früher vermutlich für die Feuerwache da. "Darin saß laut Überlieferung ein Türmer oder Nachtwächter, der die Stadt überblickte und Alarm schlug, sobald es irgendwo brannte", erzählt Meidl.
Ungewohnte Perspektiven über den Dächern Wiens ergibt der Blick durch die Dachluke: die Figuren auf dem Attikageschoß des Hauptgebäudes von hinten, Votivkirche und Votivpark durch die Säulen der Brüstung sowie Sigmund-Freud-Park, Maria-Theresien-Straße und Schottentor aus der Vogelperspektive.
Von oben betrachtet sieht die prunkvolle Kuppel im Oktogon vor dem Kleinen Festsaal unscheinbar aus. Von selbst wären wir nicht darauf gekommen, was sich unter dem seltsamen, lehmverputzten Hügel verbirgt - Gerhard Meidl hat es uns schließlich verraten.
Der Dachboden ist eng mit dem Keller der Universität Wien verbunden: Links im Bild sehen wir die Abluftanlage eines Hörsaals - mit frischer Zuluft werden die rauchenden Studierendenköpfe aus den Anlagen im Keller versorgt. Das rechte Bild zeigt Kälteleitungen im Dachboden, die den Serverraum im Keller kühlen.
Im Gewimmel aus Rohren, Tanks und Messgeräten fühlt man sich wie im Bauch eines U-Boots: "Hier sehen wir verschiedene Zu- und Abluftanlagen für die Büroräume im Hauptgebäude", erklärt Meidl.
Der Kühlturm links ist für die Kältemaschine im Keller zuständig. Er enthält ein Ventilations- sowie ein Berieselungssystem - je nach Temperatur geht das eine oder das andere in Betrieb und wird über Rohre im Haus und bis in den Keller verteilt. Der gemauerte Kamin rechts enthält heute nicht mehr Rauch, sondern Kälteleitungen.
Eine Tür weiter stehen wir plötzlich in der Universitätsbibliothek - und zwar im obersten Stockwerk des Nordturms, der sich gemeinsam mit dem Südturm insgesamt über 13 Etagen erstreckt. In den Büchertürmen befinden sich die beiden größten Magazine der Bibliothek - aneinandergereiht wären die Regalbretter insgesamt 80 Kilometer lang!
Nach ein paar letzten Blicken aus der Dachluke auf den Arkadenhof ...
... und von hoch oben auf der Galerie hinunter ins Treppenhaus ...
... machen wir uns zu Fuß auf den Rückweg: über zahlreiche Treppenstufen und durch die normalerweise auch für uns verschlossene "Geheimtür" ... (br)