Metabolomics: Hotspots der Forschung

Die Fakultät für Lebenswissenschaften hat eine neue Forschungsplattform. Das Vienna Metabolomics Center (ViMe) widmet sich fakultätsübergreifend der Erforschung von Metaboliten. Der Leiter, Wolfram Weckwerth, im Interview.

Gensequenzierungen sind heutzutage omnipräsent. Sie gaukeln uns vor, dass Lebewesen gläsern geworden wären. Dem ist aber nicht so. "Der Stoffwechsel ist nicht vorhersagbar", weiß Wolfram Weckwerth, Leiter des Departments für Ökogenomik und Systembiologie.

Welches Ziel verfolgen Sie mit der Gründung der Metabolomics-Plattform?
Weckwerth: Wir wollen das Metabolom, die Gesamtheit aller Stoffwechselprodukte in einem Organismus, das Äquivalent zum Genom, erfassen. Ganz wichtig: Auch das quantitative Metabolom. Es geht nicht darum, einen statischen Zustand vorherzusagen – das kann man aus der Genomsequenz tun. Wir wissen aber nichts über die Plastizität des Metaboloms – wie reagiert es auf verschiedene Bedingungen? Zum Beispiel auf Ernährung, Lifestyle, Lifehistory, Sport, Krankheiten, Krankheitsanlagen im Genom? Den Antworten auf all diese Fragen – und wir haben einen Katalog von hunderten von Fragen – kann man nur näher kommen, indem man die Metabolite misst.

Die Auswirkungen auf Menschen werden auch untersucht?
Weckwerth: Genau, die Auswirkung der Ernährung auf den menschlichen Stoffwechsel ist eines der Forschungsthemen. In den biomedizinischen Projekten oder auch den ernährungsphysiologischen wird deutlich, dass man von Mensch zu Mensch völlig individuelle, unterschiedliche Reaktionen antrifft. Wenn man zum Beispiel Krebs oder Diabetes in einer Gruppe von Patienten mit einem Medikament bekämpft, regiert jeder anders. Genau das wollen wir mit Studien genauer anschauen. Genotyping wird gemacht, dabei kommen Polymorphismen zum Vorschein, die jeden einzelnen Menschen unterscheiden. Und dann schaut man sich die Antwort im Stoffwechsel, das Metabolom, an und verlinkt dieses wieder mit dem Genotyping.

Was genau soll da gemessen werden?
Weckwerth: Zum Beispiel kann man Blut-, Speichel- und Urinproben sowie auch Gewebeproben messen. Einerseits von Patienten, die in einer klassischen medizinischen Behandlung sind, oder im Alltag, z.B. während sportlicher Betätigung. Das ist der Bereich der personalisierten Medizin, in der durch diese umfangreichen Stoffwechselmessungen individuelle Phenotypen charakterisiert werden können. Aufgrund dieser Betrachtung der individuellen Ausprägung des Stoffwechsels kann man viel gezieltere Diagnosen und medikamentöse Behandlung vornehmen bzw. rechtzeitige Maßnahmen in der Ernährung und in den Verhaltensweisen treffen, z.B. beim metabolischen Syndrom, bei der Gefahr eines Burn Outs oder bei Depressionen.

Wer ist an der neuen Forschungsplattform beteiligt?
Weckwerth: Dabei sind die Fakultäten für Lebenswissenschaften, Chemie und Geowissenschaften. Die Plattform vereint eine große Bandbreite von Technologien aus verschiedenen Forschungszweigen, darunter Drug Development, Nutritional Sciences, Microbial and Plant Biotechnology, Biomedical Approaches, Ecosystems Research und Environmental Sciences. Letzteres ist ein neuer Zweig, bei dem Umweltproben gemessen werden. Zum Beispiel schaut man sich Tiefseeproben an und ermittelt die Metabolite, die darin gelöst sind. Denn die haben einen ganz großen Einfluss auf die mikrobielle Community.

Der Bogen ist sehr weit gespannt, denn es sind auch Ernährungsphysiologen und Pharmazeuten dabei, genauso wie Biomediziner, die mit Krebszelllinien arbeiten. Doch die Methodik dahinter ist verwandt. Es handelt sich um eine Massenspektrometrie-basierte Plattform, und eine Data-Mining-Plattform. Die Verbindung von beiden ist ein ganz entscheidender Punkt!

Können Sie das genauer formulieren?
Weckwerth: Wir können mit Massenspektrometrie und Bioanalyse unglaublich viele Komponenten messen, aber wir müssen sie identifizieren, quantifizieren und die Dynamiken interpretieren. Wenn es hierbei um einzelne Organismen geht, müssen wir die Daten ins Genom zurückführen. Also versuchen wir, die Genomsequenzen mit Hilfe dieser Daten zu interpretieren.

Wie weit sind Sie bereits?
Weckwerth: Wir haben eben angefangen. Im Mai war das Kick-off-Meeting. An der Universität Wien können wir auf eine Vielfalt von bioanalytischen Plattformen, verschiedenste Massenspektrometer und unterschiedliche Anwendungsgebiete zurückgreifen. Das macht unsere Forschungsplattform hochinteressant. Außerdem bin ich dabei, die Plattform auf verschiedenen Workshops und Konferenzen vorzustellen. Es werden auch Drittmittelanträge gestellt, in denen diese Plattform eine zentrale Rolle spielt.

Vielen Dank für das Interview!

Wolfram Weckwerth ist der Leiter des Departments für Ökogenomik und Systembiologie an der Fakultät für Lebenswissenschaften.