Militär, Sicherheitsfirmen und Geschlechterverhältnisse

Die zunehmende Privatisierung staatlicher Aufgaben des Militärs hat gravierende geschlechtsspezifische Folgen. Welche Faktoren in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen, untersucht Saskia Stachowitsch vom Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien an den Beispielen USA und Großbritannien.

"Frauen haben im Sicherheitssektor nichts verloren, weil sie für derartige Jobs einfach nicht geeignet sind", "Frauen sind körperlich und mental gar nicht in der Lage, für Schutz zu sorgen", "Schützen ist Aufgabe des Mannes, die Rolle der Frau hingegen, schutzbedürftig zu sein": So oder ähnlich lauteten die Argumente, mit denen es weiblichen Kandidatinnen lange Zeit verwehrt wurde, einen Arbeitsplatz in den Reihen der staatlichen Militäres zu bekommen. "Mittlerweile gelten derart plumpe Stereotype glücklicherweise als überholt und viele Bereiche des Militärs wurden auch für Frauen geöffnet", sagt die Politikwissenschafterin Saskia Stachowitsch von der Universität Wien.

Doch obwohl sich die gesetztliche Lagen in vielen Ländern – wie den USA, Großbritannien oder Österreich – grundlegend geändert hat und Frauen offiziell zum Militärdienst zugelassen sind, zeigt sich in der Praxis überall ein sehr einseitiges Bild: "Beim österreichischen Bundesheer beispielsweise liegt der Frauenanteil derzeit lediglich bei knapp drei Prozent. Dennoch gibt es in den staatlichen Militärapparaten heute weitgehend einen Konsens darüber, dass es eine Gleichstellung von Mann und Frau geben muss", so die Expertin.


"Women in the Army": Frauenintegration und fortschreitende militärische Technologisierung gingen in den meisten westlichen Staaten Hand in Hand. In Rekrutierungskampagnen wird daher versucht, Frauen davon zu überzeugen, dass eine professionelle Militärkarriere auch für sie den sozialen Aufstieg bedeuten kann. Im Bild: ein Internet-Werbebanner aus Australien. (Foto: defencejobs.gov.au)



Aus staatlich wird privat


Doch was passiert mit dieser Gleichstellungstendenz, wenn staatliche Aufgaben des Militärs zunehmend an private Sicherheitsunternehmen abgegeben werden? Als Triebfeder dieser Umstrukturierungen im militärischen Bereich fungieren vor allem Länder wie die USA oder Großbritannien. "Aber auch in Mitteleuropa ist diese Verschiebung bereits deutlich erkennbar – wenn auch etwas abgeschwächter", so Saskia Stachowitsch.

Dieses "staatliche Outsourcing" wirft aus Sicht der Forscherin gleich eine ganze Reihe spannender Fragen auf: Welche Auswirkungen hat die Privatisierung von Sicherheit auf Männer und Frauen bzw. auf das Verhältnis zwischen ihnen? Wie verändert sich dadurch die Vorstellung von Sicherheit und wie hängt diese mit der Vorstellung von Geschlecht zusammen? Welche Veränderungen finden auf den Ebenen Arbeitsmarkt, Gleichstellungspolitik und Gender-Mainstreaming statt, wenn der Sicherheitsbereich nicht mehr staatlich reguliert wird? Wie interagieren die unterschiedlichen Ebenen miteinander? Und schließlich: Führt all das dazu, dass die Diskriminierung von Frauen abnimmt oder sich verstärkt?

Internationale Zusammenarbeit

All diese Fragen stehen im Zentrum des kürzlich gestarteten, vierjährigen Forschungsprojekts, das Saskia Stachowitsch am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien leitet und das im Rahmen des Elise-Richter-Programm des FWF gefördert wird. Dabei arbeitet die junge Projektleiterin eng mit WissenschafterInnen der amerikanischen Clark University (Worcester, Massachusetts) und der britischen Universitäten Bristol und Warwick zusammen.













Das US-Militär war immer schon von weiblicher Beteiligung abhängig. Doch erst mit der Aufhebung der allgemeinen Wehrpflicht 1973 wurden separate Hilfseinheiten, wie hier das 1942 gegründete Women’s Army Auxiliary Corps (WAAC), aufgelöst und Frauen in reguläre Einheiten integriert. (Foto: army.mil)



Mehr Diskriminierung

Obwohl ihr Projekt noch am Anfang steht, hat die junge Projektleiterin schon jetzt erste Erkenntnisse vorzuweisen: "Je länger ich mich mit diesen Fragen beschäftige, umso deutlicher zeigt sich, dass die Privatisierung von Sicherheit eher weniger Gleichbehandlung und mehr Diskriminierung hervorruft." Als Ursache hierfür sieht sie auch gesellschaftliche Gründe: "Sicherheit ist eben kein neutrales Gut, das man mit den bestmöglichen Mitteln erreichen muss, sondern etwas, das gesellschaftlich immer wieder verhandelt wird. Da schwingen ganz viele geschlechtsspezifische Vorstellungen und Stereotype mit."

Erschwerend kommt hinzu, dass private Sicherheitsfirmen von einer klaren marktorientierten Ausrichtung bestimmt werden: "Diese Firmen sagen nicht: Wir wollen keine Frauen. Das Problem ist, dass sie davon ausgehen, dass der Markt das nicht will, da er von einseitig aufgeladenen Geschlechtervorstellungen bestimmt wird. Die meisten KundInnen haben immer noch das Bild im Kopf, dass sie von Männern beschützt werden müssen. Das lässt sich weder mit logischen Argumenten noch mit Ideologiekritik bekämpfen. Der Markt legt fest, wer beschützen darf und wer nicht", erläutert Stachowitsch die Problematik.

Bunter Methoden-Mix

Um die verschiedenen Wechselwirkungen zwischen staatlichem und privatem Sektor aufzeigen und besser verstehen zu können, setzt die Politikwissenschafterin auf einen "bunten Methoden-Mix". "Ich werde mir zum Beispiel die wichtigsten Arbeitsmarktdaten und Policy-Papers zu den Case Studies USA und Großbritannien sowohl auf staatlicher als auch privater Seite genau anschauen, die Websites und Geschäftsrichtlinien der Firmen analysieren und wenn möglich auch Interviews mit Insidern führen", schildert die Forscherin die geplante Vorgehensweise.

Von den internationalen KooperationspartnerInnen bekommt sie dabei wertvolle Unterstützung. "Die Elise-Richter-Förderung gibt mir die Möglichkeit, auch selbst ins Ausland zu fahren, um vor Ort gemeinsam mit den KollegInnen am Projekt weiterzuarbeiten", so Saskia Stachowitsch. So plant sie unter anderem einen Forschungsaufenthalt an der University of Bristol, an der sie bereits 2002 im Rahmen eines Erwin-Schrödinger-Stipendiums des FWF zehn Monate verbracht hat. (ms)

Das FWF-Projekt "Feministische Internationale Beziehungen und Staatstheorien. Mögliche Verknüpfungen am Beispiel Geschlecht und militärische Privatisierung" von Elise-Richter-Stelleninhaberin Mag. Dr. Saskia Stachowitsch vom Institut für Politikwissenschaft läuft von 1. Mai 2013 bis 30. April 2017. KooperationspartnerInnen sind Cynthia Enloe (Clark University, Worcester, Massachusetts, US), Paul Higate (University of Bristol, UK) und Trevor McCrisken (University of Warwick, UK).