Aus eins wird vier

Ein internationales ForscherInnenteam um Gerald Schneeweiß von der Universität Wien schaffte eine kleine Sensation: Sie fanden eine neue Pflanzenart. Das "Krainer Greiskraut" besteht in Wirklichkeit aus vier Arten, die alle in Österreich vorkommen, eine Art sogar ausschließlich hier.

Das Krainer Greiskraut ist eine häufige Art in den Ostalpen, wo es oberhalb der Waldgrenze in Zwergstrauch-, Rasen- und Pioniergesellschaften zu finden ist. Es ist BotanikerInnen schon früh aufgefallen, dass das Krainer Greiskraut sehr vielgestaltig ist: Weil verschiedenste Formen oft gemeinsam vorkommen, haben ForscherInnen diese Mannigfaltigkeit bisher als Ausdruck einer hohen innerartlichen Variabilität gedeutet. Durch die Anwendung einer Kombination zytologischer, molekularer und ökologischer Methoden hat ein internationales ForscherInnenteam um Gerald Schneeweiß herausgefunden, dass das Krainer Greiskraut vier Gruppen umfasst, die durch Chromosomenzahl, genetische Muster, Standortsansprüche und zum Teil ihre Nicht-Kreuzbarkeit deutlich verschieden sind. Es lag daher die Vermutung nahe, dass die morphologische Formenvielfalt auf die evolutionäre Differenzierung zwischen diesen Gruppen zurückzuführen ist.

Das letzte Puzzleteil

Biodiversitätsforscher Gerald Schneeweiß bestätigte nun, dass diese vier Gruppen auch morphologisch klar differenziert sind. "Die morphologische Charakterisierung der vorher von uns genetisch und ökologisch umschriebenen Linien des Krainer Greiskrautes ist das letzte Puzzleteil, um diese Formen als Arten beschreiben zu können", meint Schneeweiß und ergänzt: "In manchen Gebieten, wie den Kärntner Nockbergen, kommen drei der vier Arten zum Teil auf kleinstem Raum gemeinsam vor. Aber selbst hier ist es mit ein wenig Übung möglich, die verschiedenen Arten zu unterscheiden."

Unterschätzte Diversität vor der Haustür


Alle vier Greiskraut-Arten kommen in Österreich vor, eines, das Norische Greiskraut, kommt sogar ausschließlich in Österreich vor. Wird also die Pflanzendiversität Österreichs derzeit unterschätzt? "Nein, größenordnungsmäßig liegen wir bei den Farn- und Blütenpflanzen schon richtig", sagt Schneeweiß, "man darf aber davon ausgehen, dass es noch weitere neue Arten und Unterarten zu erkennen gibt". Diesbezüglich besonders ergiebige Verwandtschaftsgruppen sind sogenannte Polyploidkomplexe, also Gruppen, die Pflanzen mit unterschiedlicher Anzahl an Chromosomensätzen umfassen – wie es auch beim Krainer Greiskraut der Fall ist. "Neuentdeckungen sind überall möglich, selbst in vergleichsweise gut untersuchten Gruppen wie den Blütenpflanzen Österreichs", so Schneeweiß abschließend. (af)

Die Publikation "Underestimated diversity in one of the world’s best studied mountain ranges: The polyploid complex of Senecio carniolicus (Asteraceae) contains four species in the European Alps" (AutorInnen: Ruth Flatscher, Pedro Escobar García, Karl Hülber, Michaela Sonnleitner, Manuela Winkler, Johannes Saukel, Gerald M. Schneeweiss und Peter Schönswetter) erschien im Fachmagazin "Phytotaxa".