Schaufenster fürs Osmanische

Skopje war einst Außenposten osmanischer Monumentalbaukunst. Viele der "Vorzeigeobjekte" haben die Jahrhunderte allerdings nicht im Originalzustand überstanden. Für Balkanexperte Maximilian Hartmuth ein Grund zum Forschen: Er schreibt die dazugehörige Architekturgeschichte.

Hier trafen sich Dichter und Denker. In geschäftigen Moscheen, in palastähnlichen Badehäusern, im Schatten von Kuppeln. Skopje, die heutige Hauptstadt der Republik Mazedonien, war zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert ein bedeutendes Zentrum islamischer Kultur im Südosten Europas. "Das spätmittelalterliche Skopje lag an einer wichtigen Wegkreuzung nahe der Grenze zwischen dem Sultanat und den christlichen Staaten. Über Jahrzehnte erfüllte es die Funktion eines Schaufensters osmanisch-islamischer Kultur im westlichen Expansionsgebiet", verweist Kunsthistoriker Maximilian Hartmuth von der Universität Wien auf die historische Bedeutung der Stadt.

Hammams (Dampfbäder) dienten nicht allein der Hygiene, sondern erfüllten wichtige gesellschaftliche Funktionen. Im Bild: Skopjes sogenannter Doppel-Hammam mit Stuckdekor. (© Maximilian Hartmuth)

Architekturgeschichte in Flammen

"Viele der einstigen Vorzeigeobjekte haben die Jahrhunderte allerdings nicht im Originalzustand überstanden", bedauert Hartmuth, der sich im Rahmen eines FWF-Projekts auf die Suche nach Spuren früher und klassischer osmanischer Architektur in Mazedonien begibt: "1689 brandschatzten habsburgische Truppen die Stadt und ein bedeutendes Stück osmanischer Architekturgeschichte ging verloren. Im Zuge des nur schleppend vorangehenden Wiederaufbaus wurde mancher Monumentalbau in vereinfachter Form instandgesetzt. Das heutige Stadtbild Skopjes gibt daher nur bedingt Aufschluss über das architekturgeschichtlich bedeutende Skopje des 15. und 16. Jahrhunderts."

Wie sah Skopje früher aus?

Genau da setzt Hartmuth mit seiner Forschung an. Unter der Projektleitung von Markus Ritter, der die Professur für Islamische Kunstgeschichte an der Universität Wien innehat, rekonstruiert Hartmuth Aspekte der Geschichte der osmanischen Bautradition in Mazedonien. Gezielt ausgewählte Bauwerke werden mithilfe historischer Quellen analysiert und in Kooperation mit BauforscherInnen auf ihre materielle Beschaffenheit hin untersucht. Das soll Aufschluss über die ursprüngliche Gestalt der Monumentalbauten geben und so Wissenslücken schließen.

Wissenschaft im Herzen der Stadt
Das Institut für Kunstgeschichte ist eines von 16 Instituten der Universität Wien, die am Campus angesiedelt sind. Der 96.000m² große Campus auf dem Areal des ehemaligen Allgemeinen Krankenhauses wurde 1998 offiziell eröffnet. Anlässlich des 20-Jahr-Jubiläums präsentiert die Universität Wien am Campus aktuelle Wissenschaft im Rahmen unterschiedlicher Formate.

Zentrum in der Peripherie

Ganz oben auf der Liste der untersuchten Bauwerke: die 1436/37 von Sultan Murad II. fertiggestellte Große Moschee von Skopje. Auch sie wurde 1689 zerstört, erst im 18. Jahrhundert kam es zum Wiederaufbau. Allerdings mussten 23 Jahre ins Land ziehen, bis der Sultan einen Wiederaufbau befahl. Dabei war es nicht immer nur der Sultan, der bedeutende Bauprojekte anstieß. "Viel wichtiger als bisher angenommen war für deren Konzeption der Ausgleich verschiedener Interessen", berichtet Hartmuth.

Ab einem gewissen Zeitpunkt überließ der Sultan die Monumentalisierung seiner Städte seinen Statthaltern und Feldherren. Diese wollten sich oft selbst ein Denkmal setzen, die eigene Provinz aufwerten oder Konkurrenten in den Schatten stellen. "Die Osmanisierung der Städte Südosteuropas war nicht von Istanbul aus ferngesteuert. Lokale Gegebenheiten und im Eigeninteresse Handelnde spielten eine völlig unterschätzte Rolle", fasst der Balkanexperte zusammen.

Die von Sultan Murad II. 1436/37 errichtete Große Moschee ist Skopjes älteste erhaltene Freitagsmoschee. Die Inschriften erinnern an die zahlreichen baulichen Eingriffe zwischen dem 16. und frühen 20. Jahrhundert. (© Maximilian Hartmuth)

Auf unerforschtem Terrain

Mit ihrem Projekt begeben sich die Wissenschafter auf ein Terrain, das bisher wenig schlüssig erforscht wurde: "Die historischen Inschriften und Stiftungsurkunden sind auf Arabisch oder Osmanisch verfasst, die Forschungsliteratur liegt auf Serbisch, Mazedonisch und Türkisch vor. Die Mehrsprachigkeit des Quellenmaterials und die politisch aufgeladenen Grenzen in der Region haben wissenschaftlichen Austausch und Debatten über das osmanische Erbe am Balkan traditionell erschwert", so Hartmuth.

Das Ergebnis ist eine osmanische Architekturgeschichte, die die heutige Türkei in den Fokus nimmt. "Natürlich gibt es in Istanbul, der einstigen Residenzstadt, bedeutend monumentalere Bauten als etwa in Skopje. Wenn man aber die osmanische Baukultur als System betrachtet, müssen auch die Provinzen und die dazugehörige Geschichte verstanden werden." Folglich, so Hartmuth, verdienen sie viel mehr Aufmerksamkeit.

Das Kuppelmausoleum, vermutlich aus den 1470er Jahren, weist für osmanische Grabbauten ungewöhnliche Mosaikfliesen auf. (© Maximilian Hartmuth)

Bausteine für Anschlussforschung

Um die Weichen für Anschlussforschung zu stellen, wurde ein internationaler Workshop veranstaltet, in Sammelbänden und Zeitschriften publiziert und auf der Open-Access-Plattform academia wurden erste Ergebnisse zur Diskussion gestellt. Noch folgen soll eine Monografie zur Architekturgeschichte des osmanischen Skopjes, als Baustein und Ansporn für weitere Forschungen zum Thema.

VERANSTALTUNGSTIPP: Seit Anfang 2018 forscht Maximilian Hartmuth in einem ERC-Projekt zur "austro-islamischen" Architektur im späthabsburgischen Bosnien. Erste Einblicke in dieses Forschungsfeld gibt ein Workshop am Freitag, 4. Mai 2018, von 9.30 bis 17.30 Uhr am Institut für Kunstgeschichte: Anschließend an die Präsentation des Projekts berichten Francine Giese (Zürich), Johannes Feichtinger (Wien), Turgut Saner (Istanbul), Ágnes Sebestyén (Stuttgart), Iván Szántó (Budapest/Wien), Haris Dervišević (Sarajevo), Branka Dimitrijević (Glasgow) und Amra Hadžimuhamedović (Sarajevo) über ihre Untersuchungen zu verwandten Themen. Der Workshop wird von einer Ausstellung von Fotografien und Druckwerken in der Institutsaula begleitet. Weitere Infos

Osmanische Grenze näher als Graz

Das Reich des Sultans begann nur wenige Zugstunden östlich von Wien. Davon zeugen auch die vielen Objekte aus der islamischen Welt in den Museumssammlungen Ostösterreichs. "Für die Erforschung des vielfältigen kulturellen Erbes Südosteuropas ist die Universität Wien mit ihrer 2012 eingerichteten Professur für Islamische Kunstgeschichte ein folgerichtiger Stützpunkt", freut sich Hartmuth. (hm)

Maximilian Hartmuths Interesse am Balkan wuchs während eines Auslandszivildienstes. Fortan fühlte er sich mit der Region verbunden: Er verfasste seine Diplomarbeit zur Habsburgerzeit in Sarajevo, lebte in Bosnien und Serbien. Acht Jahre verbrachte er in der Türkei, bevor er 2012 an seine Alma Mater zurückkehrte. (© Barbara Mair/Universität Wien)

Das Projekt "Zentrum und Peripherie? Islamische Architektur im osmanischen Makedonien, 1383-1520" unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Markus Ritter, M.A. und der Mitarbeit von Mag. Dr. Maximilian Hartmuth, MA vom Institut für Kunstgeschichte läuft von 1. August 2014 bis zum 31. Juli 2019 und wird vom FWF finanziert.