Globale Solidarität, Freiheit, soziale Rechte: Spannende Antrittsvorlesungen am Juridicum

Vom Wert der Freiheit, sozialen Rechten und Solidarität als Menschenrecht: Im Kurzinterview anlässlich ihrer Antrittsvorlesungen (20.10., Gr. Festsaal) beschreiben die Jurist*innen Elisabeth Brameshuber, Michael Lysander Fremuth und Karl Stöger ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre.

uni:view: Worüber wird durch Ihre Professur in Zukunft mehr an der Universität Wien zu hören sein?

Elisabeth Brameshuber: Über Entwicklungen auf europäischer Ebene im Arbeits- und Sozialrecht, etwa zur Frage, ob das Wettbewerbsrecht Kollektivverträgen für arbeitnehmerähnliche Personen entgegensteht.

Michael Lysander Fremuth: Über die Bedeutung der Menschenrechte als Querschnittsthema, das sämtliche gesellschaftlichen Subsysteme beeinflusst; über die neuen und weniger neuen Herausforderungen für die Menschenrechte (z.B.: Digitalisierung, Klimawandel) sowie die Möglichkeit der Menschenrechte, darauf zu reagieren.

Karl Stöger: Über die vielfältigen Herausforderungen des medizinischen Fortschritts für unser Gesundheitswesen und den Beitrag, den das Recht zu ihrer Bewältigung leisten kann und muss – und vorläufig auch weiterhin zum Recht der Bekämpfung von Infektionskrankheiten.

Elisabeth Brameshuber ist seit Jänner 2020 Professorin für Arbeitsrecht und Sozialrecht am Institut für Arbeits- und Sozialrecht. Zuvor war sie Universitätsdozentin am Institut für Österreichisches und Europäisches Arbeitsrecht und Sozialrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien und Lehrstuhlvertreterin der Professur für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Rechtsvergleichung an der Ruhr-Universität Bochum. Am 20. Oktober hält sie ihre Antrittsvorlesung mit dem Titel Die Europäische Säule sozialer Rechte. Konstitutionalisierung von sozialen Rechten?

uni:view: 20. Oktober um 18.30 Uhr finden im Großen Festsaal Ihre Antrittsvorlesungen statt. Worauf dürfen wir gespannt sein? 

Fremuth: Ich werde der Frage nachgehen, ob und inwieweit Forderungen nach Solidarität menschenrechtlich unterfüttert werden können, und ob sich auch ein Anspruch auf globale Solidarität begründen lässt.

Stöger: Darum, dass auch in Covid-Zeiten im Alters-  und Pflegeheim die Freiheit des Einzelnen ein sehr hohes Gut ist.

Brameshuber: Welche Funktion kommt der Europäischen Säule sozialer Rechte im Normengefüge zu? Können wir in der Judikatur des EuGH eine Konstitutionalisierung von sozialen Rechten erkennen?

Michael Lysander Fremuth ist seit 2019 Professor für Grund- und Menschenrechte am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht, wissenschaftlicher Direktor des Ludwig Boltzmann Instituts für Grund- und Menschenrechte und wissenschaftlicher Leiter des postgradualen Master-Studiengangs "Human Rights". Am 20. Oktober hält er seine Antrittsvorlesung mit dem Titel Solidarität und Menschenrechte – Von Rechten und Pflichten. Und Tugenden.

uni:view: Stichwort Lehre – was erwarten Sie sich von den Studierenden? 

Brameshuber: Eigenverantwortung, Neugier und Begeisterungsfähigkeit.

Fremuth: Neugier, Ambition, Diskursfähigkeit sowie die (bestenfalls freudige) Bereitschaft, sich auch mit gegenläufigen und kontroversiellen Auffassungen auseinanderzusetzen. 

Stöger: Dass sie nicht nur Einzelbestimmungen auswendig lernen, sondern versuchen, die Systematik hinter Rechtsvorschriften zu verstehen – denn diese besteht weitaus länger als ein einzelner Paragraph.

Karl Stöger ist seit Oktober 2020 Professor für Medizinrecht am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht. Zuvor war er als Professor für Öffentliches Recht am Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaften der Universität Graz tätig und dort zuletzt Sprecher des fakultätsübergreifenden profilbildenden Bereichs "Smart Regulation". Am 20. Oktober hält er seinen Antrittsvorlesung mit dem Titel COVID-19 im Alters- und Pflegeheim: Das Präventionskonzept und seine Grenzen.

uni:view: Was können Studierende umgekehrt von Ihnen erwarten?

Stöger: Ich werde stets versuchen, ihnen medizinrechtliche Fragestellungen im größeren gesellschaftlichen Zusammenhang zu erklären – und ein offenes Ohr für vertiefende Nachfragen haben.

Brameshuber: Begeisterung für das Arbeits- und Sozialrecht, vor allem im europäischen Kontext, die ich auch in der Lehre versuche, zu vermitteln.

Fremuth: Neben der reinen Wissensvermittlung (inklusive der intensiven Befassung mit der Rechtsprechung) und Vorbereitung auf Prüfungen (auch durch das gemeinsame Erarbeiten von Fällen und das Training in der juristischen Argumentation) bemühe ich mich, den Studierenden das Angebot zu unterbreiten, auch über die Rechtswissenschaften zu reflektieren, sie im Verhältnis zu anderen gesellschaftlichen Subsystemen zu kontextualisieren sowie den Blick über den Tellerrand zu wagen.

uni:view: Was ist für Sie die größte Herausforderung in Ihrer Rolle als Professor*in an der Uni Wien?

Brameshuber: Den Studierenden und meinen Mitarbeiter*innen jene Zeit zu widmen, auf die sie einen berechtigten Anspruch haben.

Fremuth: In der gegenwärtigen Pandemie den Studierenden trotz der beschränkten Möglichkeiten von Präsenzlehre, deren Anhänger ich bin, ein hochwertiges Lehrangebot anbieten zu können.

Stöger: Den Bedürfnissen der Studierenden unter den derzeit für die Universitäten sehr schwierigen Rahmenbedingungen gerecht zu werden.

uni:view: Wofür setzen Sie sich wissenschaftlich und gesellschaftlich ein?

Stöger: Das Ziel einer guten Zugänglichkeit medizinischer Versorgung für alle Menschen auch durch entsprechende Rechtsvorschriften zu unterstützen.

Brameshuber: Für eine funktionale Analyse des Arbeits- und Sozialrechts, die sich verstärkt der Suche nach dem Telos der Normen widmet und hinterfragt, ob dieser denn tatsächlich bestmöglich erreicht wird.

Fremuth: Wissenschaftlich ist es mir wichtig, sich der eigenen Dispositionen und Befangenheiten bewusst zu werden, sich konsequent zu hinterfragen und zugleich Objektivität – die kaum je gänzlich erreicht werden kann – zumindest anzustreben. Gesellschaftlich ist es mir wichtig, Polarisierungen zu überwinden und eine Atmosphäre zu schaffen, in der man einander zuhört, respektvoll miteinander streitet und in Betracht zieht, dass die Gegenposition zutreffen könnte. In einem derartigen Umfeld können Menschenrechte Realität werden und gedeihen.

uni:view: Vielen Dank für das Interview! (ak)


Antrittsvorlesungen Elisabeth Brameshuber, Michael Lysander Fremuth und Karl Stöger  
Mittwoch, den 20. Oktober 2021, um 18:30 Uhr s.t.
Großer Festsaal der Universität Wien (Universitätsring 1, 1010 Wien) sowie online
Anmeldungen bis 5. Oktober 2021 per Mail an veranstaltung@univie.ac.at