Hannes Schweiger: "Unser Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit"

Hannes Schweiger hält am 20. Jänner seine Antrittsvorlesung.

Wie können wir in der Aus- und Fortbildung von Lehrer*innen für mehr Bildungsgerechtigkeit sorgen? Hannes Schweiger, Assistenzprofessor für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache, spricht im Interview unter anderem über die Herausforderungen unseres Bildungssystems.

uni:view: Sie haben eine Tenure-Track-Stelle für den Bereich Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Was ist der Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit an der Universität Wien?
Hannes Schweiger: Die Professionalisierung von Lehrenden im Bereich der sprachlichen und kulturellen Bildung. Dabei spielen Fragen der Bildungsgerechtigkeit und der Teilhabe in einer durch Migration geprägten Gesellschaft eine zentrale Rolle. Wie können wir zukünftige Lehrer*innen darin unterstützen, ihr Wissen zu erweitern und ihre Fähigkeiten auszubauen, damit sie in einer Gesellschaft, für die sprachliche Vielfalt kennzeichnend ist, erfolgreich unterrichten können?

Ein zentraler Forschungsbereich ist für mich neben der Sprachförderung und der sprachlichen Bildung das ästhetische Lernen: Wie können im Sprachunterricht Literatur und andere ästhetische Gestaltungsformen eingesetzt werden, um Denk- und Wahrnehmungsmuster in Frage zu stellen, um Lust am Spiel mit Sprache zu gewinnen und um den eigenen Handlungs- und Gestaltungsspielraum zu erweitern? Ich untersuche also Lernprozesse, die durch die kreative und analytische Auseinandersetzung mit Literatur initiiert werden.

uni:view: Was waren wichtige Meilensteine in Ihrem Werdegang? Was hat sie besonders geprägt?
Schweiger: Eine prägende Erfahrung war mein DaF-Auslandspraktikum in Mali, wo ich an einem Gymnasium in der Hauptstadt Bamako Deutsch unterrichtet habe – seither beschäftigen mich Fragen der globalen Machtverhältnisse und ihrer Auswirkungen auf Lehr- und Lernprozesse, seither setze ich mich mit rassismuskritischer Bildung und mit postkolonialen Theorien auseinander und seither bin ich in der Fortbildung für Lehrer*innen im Bereich Deutsch als Fremdsprache und Zweitsprache tätig, die mir Einblicke in viele unterschiedliche Unterrichtskontexte erlaubt.

Neben meiner langjährigen Tätigkeit im ÖDaF, dem Fachverband für DaF/DaZ in Österreich, war für mich auch die Zeit als Lehrer am Gymnasium Henriettenplatz in Wien entscheidend. An einer Schule, für die sprachliche und kulturelle Vielfalt etwas Selbstverständliches ist. Ich habe dort die im Lehrberuf so wichtige Zusammenarbeit und den Austausch mit den Kolleg*innen sehr zu schätzen gelernt. Und ich durfte erfahren, dass beim Unterrichten neben all der fachlichen Arbeit auch entscheidend ist, wie ich die Beziehung zu den Schüler*innen gestalte. Das war eine sehr bereichernde und beglückende Erfahrung.

uni:view: Sie haben an der Universität Wien sowie am University College Dublin studiert. Welche Momente sind Ihnen aus Ihrem Studium in Erinnerung geblieben?
Schweiger: Der Moment, als ich im ersten Studienabschnitt den Fachbereich DaF/DaZ für mich entdeckte und in vielen Lehrveranstaltungen und durch die Unterrichtspraxis in der Erwachsenenbildung immer deutlicher wurde, dass ich dort richtig bin, auch wenn ich viele Jahre im Bereich der Literatur- und Kulturwissenschaft tätig war und meine Forschungserfahrung vor allem dort gesammelt habe. Im Studium war noch die "Integrierte Pädagogische Ausbildung" für Lehramtsstudierende eine wichtige Erfahrung, die ich vor knapp 20 Jahren absolvierte. Dank des Werkstattcharakters standen dabei der Austausch, das Ausprobieren und das Feedbackgeben mit angehenden Lehrer*innen unterschiedlicher Fächer im Mittelpunkt.

uni:view: Was ist Ihnen in Forschung und Lehre wichtig?
Schweiger: Mir ist wichtig, immer die gesellschaftliche Verantwortung im Blick zu haben, die wir in Forschung und Lehre haben, und ich versuche meine Arbeit so zu gestalten, dass sie auch über den Seminarraum und die Bibliothek hinaus Wirkung entfaltet. 


"In der Schule bereiten wir die nächsten Generationen auf eine bestmögliche Teilhabe an unserer Gesellschaft vor." Lehrer*innen leisten dabei einen maßgeblichen Beitrag. Mehr dazu erzählen die Fachdidaktiker*innen Hannes Schweiger, Julia Hüttner und Jutta Ransmayr im Video und in ihrer kommenden gemeinsamen Antrittsvorlesung am Montag, 20. Jänner (Einladung zur Antrittsvorlesung).

uni:view: Was geben Sie Ihren Studierenden mit, um sie auf ihre Aufgabe als künftige Lehrer*innen bestmöglich vorzubereiten?
Schweiger: Es ist mir ein großes Anliegen, in der Lehre neben dem theoretischen und methodisch-didaktischen Wissen und dem notwendigen Handwerkszeug Denkanstöße zu geben und keine Scheu davor zu haben, für produktive Irritationen zu sorgen – Irritationen, die dazu führen sollen, Selbstverständliches in Frage zu stellen. Zum Unterrichten gehören Leidenschaft, Begeisterung, Mut und Empathiefähigkeit, aber auch das Bewusstsein dafür, wie vielschichtig Lehr- und Lernprozesse sind und von wie vielen unterschiedlichen Faktoren Lernen beeinflusst wird. Es gibt nicht den einen perfekten Unterricht, sondern es ist entscheidend, das eigene Handeln als Lehrer*in immer wieder zu reflektieren und weiterzuentwickeln.

uni:view: Im Jänner halten Sie Ihre Antrittsvorlesung. Worauf darf man gespannt sein?
Schweiger: Es geht um eine der zentralen Herausforderungen im Bildungssystem: Wie können wir in der Aus- und Fortbildung von Lehrer*innen und durch unsere Forschung dazu beitragen, für mehr Bildungsgerechtigkeit zu sorgen, d.h. dafür zu sorgen, dass nicht die sozioökonomische Position oder der familiäre Hintergrund dafür entscheidend sind, welche Bildungsmöglichkeiten Lernenden offenstehen.

Es geht mir vor allem um die Frage der gesellschaftlichen Teilhabe durch sprachliche und kulturelle Bildung. Ich werde mich dieser Frage einerseits mit Blick auf die aktuelle Diskussion zur Deutschförderung in der Schule widmen und davon ausgehend Fragen der sprachlichen Bildung in einer vielsprachigen Migrationsgesellschaft diskutieren. Andererseits wird es um ästhetische Zugänge zum Sprachenlernen gehen und ich möchte zeigen, wie gerade Literatur nicht nur kulturbezogenes Lernen ermöglichen, sondern auch dazu beitragen kann, unsere sprachlichen Handlungsmöglichkeiten zu erweitern.

uni:view: Vielen Dank für das Interview! (red)

Ass.-Prof. Mag. Dr. Hannes Schweiger ist Assistenzprofessor für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache am Institut für Germanistik der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät sowie am Zentrum für LehrerInnenbildung. Am Montag, 20. Jänner 2020, hält er um 17 Uhr im Großen Festsaal der Universität Wien seine Antrittsvorlesung zum Thema "Teilhabe durch Sprache(n). Perspektiven für eine bildungsgerechtere Schule" gemeinsam mit Univ.-Prof. Mag. Dr. Julia Hüttner, MSc, Professorin für Didaktik der Englischen Sprache am Institut für Anglistik und Amerikanistik der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät und am Zentrum für LehrerInnenbildung, und Ass.-Prof. Mag. Dr. Jutta Ransmayr, Assistenzprofessorin für Fachdidaktik Deutsch am Institut für Germanistik der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät und am Zentrum für LehrerInnenbildung.