Jutta Ransmayr: "Ein Beruf mit hoher gesellschaftlicher Verantwortung"
| 09. Januar 2020"Lehrpersonen müssen für ihr Fach brennen, damit der Funke überspringt", so Jutta Ransmayr, seit März 2018 Assistenzprofessorin für Sprachdidaktik Deutsch an der Universität Wien. Im Interview spricht sie über prägende Momente und den praktischen Nutzen ihrer Forschung.
uni:view: Sie haben eine Tenure-Track-Stelle für den Bereich Fachdidaktik Deutsch. Was sind Ihre Schwerpunkte an der Universität Wien?
Jutta Ransmayr: Meine beiden Schwerpunkte sind die Sprachdidaktik im Deutschunterricht und in Verbindung damit die Weiterführung meiner bisherigen Forschungsbereiche: Umgang mit Norm und Variation im Deutschen sowie Forschungen zum österreichischen Deutsch. Vertiefen werde ich auch den Ausbau und die Beforschung von korpuslinguistischen Ressourcen, die ich ins Leben gerufen habe, zum Beispiel das L1-Deutschmaturatext-Korpus oder das Austrian Media Corpus in Kooperation mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Sehr wichtig ist mir die internationale Vernetzung, die ich zum Beispiel als Mitglied des Rats für deutsche Rechtschreibung durch Zusammenarbeit mit Fachleuten aus anderen deutschsprachigen Ländern weiterführen und vertiefen möchte.
"In der Schule bereiten wir die nächsten Generationen auf eine bestmögliche Teilhabe an unserer Gesellschaft vor." Lehrer*innen leisten dabei einen maßgeblichen Beitrag. Mehr dazu erzählen die Fachdidaktiker*innen Jutta Ransmayr, Julia Hüttner und Hannes Schweiger im Video und in ihrer kommenden gemeinsamen Antrittsvorlesung am Montag, 20. Jänner (Einladung zur Antrittsvorlesung).
uni:view: Was waren wichtige Meilensteine in Ihrem Werdegang? Was hat Sie besonders geprägt?
Ransmayr: Die Weichen haben sich vor allem durch meine Auslandsaufenthalte gestellt: Ich habe ein Jahr in Irland an einer Schule und zwei Jahre in Großbritannien an der University of Wales, Swansea, Deutsch unterrichtet. Diese spannenden Jahre im Ausland mit vielen sprachlich einschlägigen Erfahrungen haben nicht nur meinen Horizont erweitert, sondern auch meinen Blick auf die deutsche Sprache geschärft. Damals ist der Wunsch entstanden, neben dem Unterrichten auch wissenschaftlich zu arbeiten.
Nach meiner Rückkehr nach Österreich habe ich parallel zu meiner Lehrerinnentätigkeit am Gymnasium mit meiner Dissertation begonnen. Ich wurde von meinem Doktorvater großartig betreut und meine wissenschaftliche Laufbahn hat ihren Anfang genommen. Ohne wohlwollend-kritische Mentorinnen und Mentoren stelle ich mir den ohnehin nicht einfachen akademischen Weg schwierig vor. Ich hatte Glück und bin den Menschen, die meine Mentoren und Lehrer waren, sehr dankbar. Noch heute arbeite ich eng mit ihnen zusammen.
"Eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte, waren meine Auslandsaufenthalte. Besonders spannend: meine Zeit in Wales, als ich an der Universität Swansea unterrichtet habe. Eine besondere Bereicherung waren einerseits die Einblicke ins akademische Universitätsleben und andererseits meine Kolleginnen und Kollegen – und nicht zuletzt die gemeinsamen Aktivitäten auch außerhalb der Uni, wie Wanderungen entlang Three Cliffs Bay an der Küste von Südwales", so Ransmayr. (© privat)
uni:view: Sie haben an der Universität Wien Lehramt studiert. Welche Momente sind Ihnen aus dem Studium in Erinnerung geblieben?
Ransmayr: Ich erinnere mich daran, dass ich eine halbe Nacht im Februar Anfang der 1990er Jahre vor dem NIG verbracht habe, um mich für eine Übung anzumelden, bei der die Plätze umkämpft waren, und auch an meine erste Begegnung mit Korpuslinguistik in Form des Helsinki Corpus – schon damals hat mich Sprachwissenschaft brennend interessiert. Außerdem erinnere ich mich an das im Vergleich zu heute fast düster wirkende Erscheinungsbild der Hauptuni in den 1990er-Jahren und an meinen Schreibtisch voller Bücher. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert.
uni:view: Was ist Ihnen in Forschung und Lehre wichtig?
Ransmayr: Neugier und Nutzbarkeit stehen für mich bei der Forschung im Mittelpunkt. Wer neugierig ist, stellt Fragen. Und der Nutzen der Forschung soll im Dienst des Faches, der Scientific Community stehen und nach Möglichkeit praxisnah sein. Die Ergebnisse meiner Forschung sollen auch für die Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte relevant sein. Damit eng in Verbindung steht meine Lehre: Ich versuche, bereits in der Lehre Forschungsarbeiten in der Form einzubauen, dass Studierende einen Einblick bekommen, was Forschen bedeutet, welche Fragestellungen wie erforscht werden können, wo der Praxisbezug liegt – und dass eine gute fachwissenschaftliche und fachdidaktische Basis der unverzichtbare Ausgangspunkt ist. Was mir auch ein Anliegen ist: Ich möchte den Nachwuchs gut fördern und betreuen, so wie ich gefördert und betreut wurde.
uni:view: Was geben Sie Ihren Studierenden mit, um sie auf ihre Aufgabe als künftige Lehrende vorzubereiten?
Ransmayr: Der Beruf eines Lehrers oder einer Lehrerin ist ein sehr erfüllender und äußerst anspruchsvoller Beruf, da er so viele Facetten in sich birgt. Das Um und Auf ist es, sich im Studium eine solide fachliche Basis anzueignen, sodass man im Beruf professionell und kompetent agieren kann. Ganz wichtig ist es auch, dass Lehrpersonen für das Fach "brennen" und die Begeisterung beibehalten – nur so kann der Funke auf die Lernenden überspringen. Der Beruf des Lehrers oder der Lehrerin ist ein Beruf mit hoher gesellschaftlicher Verantwortung. Ich versuche auch zu vermitteln, wie wichtig Wertschätzung gegenüber den Lernenden, ihrer Sprache(n), und ihrer Texte ist. Und: Immer am Laufenden bleiben, sich weiterbilden!
"Scherzhaft nenne ich dieses Foto 'Zwischen Promotion und Babyphon'", schmunzelt Jutta Ransmayr: "Vereinbarkeit von Familie und Karriere ist gerade für Frauen eine Herausforderung. Dank meines Mannes, der mich bei allem unterstützt, meiner damals zweijährigen Tochter, die immer einen langen Mittagsschlaf gemacht hat, sodass ich an der Dissertation arbeiten konnte, und meinem Sohn, der knapp zwei Wochen nach meinem Rigorosum zur Welt gekommen ist (und nicht vorher), konnte das Projekt 'Diss neben Familie' gelingen." (© privat)
uni:view: Im Jänner halten Sie Ihre Antrittsvorlesung. Worauf darf man gespannt sein?
Ransmayr: Auf Gedanken zu sehr grundsätzlichen Fragen, mit denen Deutschlehrende laufend zu tun haben: die sprachlichen Normen. Gerade Deutschlehrkräfte haben täglich mit Fragen des Umgangs mit sprachlichen Normen zu tun. Deutschlehrende gelten in der Gesellschaft als "Sprachnormautoritäten" und ihre Urteile über Sprache haben Gewicht und Konsequenzen – nicht nur in Form von Beurteilungen. Sondern auch dahingehend, dass durch Lehrende die Spracheinstellungen und die sprachlichen Identitäten der Heranwachsenden mitgeprägt werden. In einem kurzen Streifzug durch meine Forschung werde ich die Bedeutung dieser Sprachnormfragen skizzieren.
uni:view: Vielen Dank für das Interview! (red)
Ass.-Prof. Mag. Dr. Jutta Ransmayr ist Assistenzprofessorin für Fachdidaktik Deutsch am Institut für Germanistik der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät und am Zentrum für LehrerInnenbildung. Am Montag, 20. Jänner 2020, hält sie um 17 Uhr im Großen Festsaal der Universität Wien ihre Antrittsvorlesung zum Thema "Sprachnormen im Spannungsfeld von Deutschunterricht und Gesellschaft. Herausforderungen für die österreichische LehrerInnenbildung" gemeinsam mit Univ.-Prof. Mag. Dr. Julia Hüttner, MSc, Professorin für Didaktik der Englischen Sprache am Institut für Anglistik und Amerikanistik der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät und am Zentrum für LehrerInnenbildung, und Ass.-Prof. Mag. Dr. Hannes Schweiger, Assistenzprofessor am Institut für Germanistik (Fachbereich Deutsch als Fremd- und Zweitsprache) sowie am Zentrum für LehrerInnenbildung.
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