Lucas Zinner: "Wir bilden Persönlichkeiten aus"
| 24. Juni 2013Wissenschaftlicher Anspruch, Neugierde und Motivation sind die drei wichtigsten Zutaten für ein erfolgreiches Doktorat. Lucas Zinner fördert seit 2004 junge ForscherInnen an der Universität Wien und bereitet DoktorandInnen auf den Arbeitsmarkt vor.
"Nachwuchsförderung, Drittmitteleinwerbung sowie Technologie- und Wissenstransfer – das sind unsere drei großen Säulen", so Lucas Zinner: "Das DoktorandInnenzentrum ist seit Anfang des Jahres in der Berggasse gemeinsam mit dem Forschungsservice und der Nachwuchsförderung unter einem Dach. So können wir die einzelnen Bereiche näher zusammenbringen und Synergien bilden", freut sich der "neue" Leiter des "Forschungsservice und Nachwuchsförderung" – seit Jänner 2013 eine eigene Dienstleistungseinrichtung (DLE) der Universität Wien.
Während in puncto Nachwuchsförderung der Mensch bzw. die einzelne Persönlichkeit im Vordergrund steht, geht es in der Drittmitteleinwerbung darum, Forschungsprojekte gut abzuwickeln und die Finanzierung zu sichern.
"Wissenstransfer findet über die Köpfe unserer AbsolventInnen statt und ist ein wichtiger Punkt in der Nachwuchsaus-bildung", so Zinner. Dem wissenschaft-lichen Nachwuchs liefert er – z.B. über Workshops – Antworten auf folgende Fragen: Wie nütze ich das Wissen aus meiner Forschungstätigkeit für meine Karriere? Was heißt erfinden oder patentieren? Wie wende ich mein Wissen nachhaltig an? "Für Bereiche, in denen Wissensverwertung nicht so geradlinig funktioniert, ist eine Reflexion über eigenes Können und Wissen wichtig." |
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Verantwortung gegenüber der Gesellschaft
"Letzteres fügt sich wiederum in den Bereich Drittmitteleinwerbung: Die Universität Wien soll dafür stärker als wertvolle Quelle für Wissen abseits der reinen Grundlagenforschung wahrgenommen werden", so der DLE-Leiter. Diese sei zwar sehr wichtig – interessante Fragestellungen kämen heute aber zunehmend auch aus der Anwendung: "Fragen aus der Praxis können wir nur deshalb angehen, weil wir in der Grundlagenforschung so exzellent sind. Die Trennung von 'applied' und 'basic research' ist eigentlich überholt."
Und Wissen bedeutet Verantwortung gegenüber der Gesellschaft – auch das müsse dem Nachwuchs mitgegeben werden. "Wir wollen AbsolventInnen, die kritisch hinterfragen und sich nicht 'nur' als ExpertInnen des eigenen Fachbereichs sehen", so Zinner. Dafür organisieren seine MitarbeiterInnen u.a. Workshops, die fast immer transdisziplinär angelegt sind.
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DoktorandInnen als Projektmanager
Denn viele junge WissenschafterInnen sehen sich mehr als "NischenspielerInnen" und weniger als Persönlichkeiten mit einem breiten Repertoire an Fähigkeiten: Und das obwohl sie über Jahre hinweg Projekte managen, forschen, die Literatur beobachten, Konferenzbeiträge schreiben, kommunizieren, nebenbei noch Lehrveranstaltungen halten und sich dem kritischen internationalen Diskurs stellen.
"Wir wollen den DissertantInnen bewusst machen, dass sie damit über Eigenschaften und Organisationstalent verfügen, das auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt ist. Immerhin zeigen verschiedene Studien, dass DoktoratsabsolventInnen in Unternehmen häufig Gruppen leiten und als ProjektmanagerInnen eingesetzt werden", erzählt Zinner. Im Drittmittelprojekt "Personal Professional Development" überlegt er sich mit KollegInnen aus der Slowakei "Tools" für DoktorandInnen: Diese sollen helfen, sich der eigenen Stärken bewusst zu werden.
Wissenschaftlicher Anspruch
In seiner Zeit als junger Wissenschafter hat der DLE-Leiter selbst eine sehr gute Förderung durch seinen Doktorvater genossen. "Als Mathematiker war ich natürlich privilegiert – in diesem Bereich ist die Betreuungssituation sehr gut", so Zinner, der an der Universität Wien studiert hat. Danach forschte er als Postdoc am Institut für Ökonometrie und Operation Research der Technischen Universität Wien sowie an der Mid Sweden University – eine Zeit, die ihn sehr geprägt hat. Seine wissenschaftliche Karriere hat er dann aber nicht weiterverfolgt. "Ich denke, dass ich in anderen Bereichen besser bin", schmunzelt er. Als Vater von Zwillingen konnte er außerdem dem Mobilitätsanspruch eines jungen Wissenschafters nicht gerecht werden.
In der "Ermöglicherrolle"
2002 ging Lucas Zinner zum FWF, um die wissenschaftlichen Anträge aus den Gebieten der Mathematik, der Informatik und der technischen Wissenschaften zu bearbeiteten. 2004 wurde er vom Forschungsservice der Universität abgeworben, wo er bald für die Ausgestaltung der Initiativkollegs zuständig war. "Es war eine sehr interessante Phase, da die europäische Hochschulpolitik gerade im Umbruch und dadurch vieles möglich war", erinnert sich Zinner, der an der Universität Wien vor allem die Größe und Themenvielfalt spannend findet.
Die Initiativkollegs laufen aus – mit dem neuen uni:docs Programm werden nun verstärkt einzelne DoktorandInnen mit guten Ideen gefördert. "Wir sind damit international sichtbar und gestalten einen Trend mit. Von den über 200 Bewerbungen sind 40 Prozent aus dem Ausland. Diese werden nun von ExpertInnen aus der ganzen Welt begutachtet, von Aarhus bis Yale", erzählt Zinner. |
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"Das Tolle an unserer Abteilung ist, dass wir mit vielen jungen Persönlichkeiten mit spannenden Ideen in den verschiedensten Bereichen – von nanostrukturierten Materialien bis hin zur Zeitgeschichte – zusammen kommen und in der 'Ermöglicherrolle' sind: Wir helfen umzusetzen, solange es im Rahmen des Möglichen ist", so der "Doktorvater" und betont: "Natürlich bereitet uns auch das Arbeiten mit den etablierten ForscherInnen viel Vergnügen."
Als Voraussetzung für ein Doktoratsstudium nennt der Experte: wissenschaftlichen Anspruch, Neugierde und Motivation. Interessierten gibt er deshalb folgenden Rat mit auf den Weg: "Die eigene Motivation genauestens prüfen und den oder die BetreuerIn – und damit auch die Einrichtung – kritisch wählen." Abseits der Universität übt sich Lucas Zinner als Gärtner auf seiner Dachterrasse, spielt Tennis und macht die Wiener Hausberge mit seinem Mountainbike unsicher. (ps)