Regina Hitzenberger: "One size fits all" gibt es an der Uni Wien nicht
| 30. September 2019Neues bauen und Bestehendes instand halten – und das nachhaltig: Als Vizerektorin für Infrastruktur an der Uni Wien schafft Regina Hitzenberger dabei auch "Arbeitsplätze". Wie diese in Zukunft aussehen und was das Universitätsgesetz mit braunem Kohlenstoff zu tun hat, erklärt sie im Interview.
uni:view: Frau Hitzenberger, Sie sind seit 2015 Vizerektorin und starten in Ihre zweite Amtsperiode. Auf welche Meilensteine blicken Sie zurück?
Regina Hitzenberger: Auf viele! Große Bauprojekte, die schon länger in Planung waren, sind auf Schiene – wie zum Beispiel das neue Biologiezentrum im 3. Bezirk. Das Projekt wurde in den ersten Monaten meiner Amtszeit genehmigt und läuft seitdem; im Oktober findet bereits die Gleichenfeier statt. Besonders freue ich mich über die gelungene Sanierung des Großen Festsaals sowie das neue Seminar- und Hörsaalzentrum im Hauptgebäude. Ein großer Meilenstein war die Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung – ein Projekt, das zu meinem Amtsbeginn noch nicht absehbar war. Auch Digitalisierungsprojekte wie die u:card oder u:space haben wir erfolgreich umgesetzt. Viele zusätzliche Projekte sind in Vorbereitung – wir planen jetzt die Universität der kommenden 30 Jahre.
uni:view: Dann werfen wir einen Blick in die Zukunft: Welche Ziele verfolgen Sie für die kommende Amtsperiode?
Hitzenberger: Das erste Ziel hängt mit der "Unifinanzierung Neu" zusammen. Siebzig neue Professuren bedeuten weit mehr als nur siebzig neue Arbeitsplätze! Sobald die Neuberufungen an die Universität Wien kommen, muss die Infrastruktur stehen – und zwar nicht nur die räumliche für die neuen Gruppen, sondern auch die Forschungsinfrastruktur. Dabei sind die Anforderungen individuell. Es ist wie ein Puzzle, dessen Teile ständig Form und Farbe ändern und jedes Mal ein anderes Bild ergeben. Projekte, die mich ständig begleiten, sind die Umsetzung von Barrierefreiheit und von ArbeitnehmerInnenschutzmaßnahmen. Im Moment hoffen wir außerdem auf die Genehmigung für den Bibliotheksumbau im Hauptgebäude. Vieles ist in der Pipeline. Uns wird also nicht langweilig
uni:view: Stichwort Nachhaltigkeit: Welche Maßnahmen setzt die Universität Wien in dem Zusammenhang?
Hitzenberger: Das Thema ist ein Schwerpunkt dieser Amtsperiode, obwohl es weder für die Universität Wien noch für mich neu ist. Auch in meiner Zeit als Forschende habe ich mich mit damit beschäftigt – auch in meinen Lehrveranstaltungen zu Umweltwissenschaften oder Energietechniken. Da mir Nachhaltigkeit auch persönlich ein Anliegen ist, habe ich eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die eine gesamtuniversitäre Nachhaltigkeitsstrategie erarbeiten wird. Dabei fokussieren wir auf die ökologische Dimension, denn etwas ökologisch Nachhaltiges ist auch ökonomisch und sozial nachhaltig. Mit Gerhard Herndl, dem Vizedekan der Fakultät für Lebenswissenschaften und Leiter der Forschungsplattform Plastics in the Environment and Society, haben wir einen kompetenten Leiter für die Gruppe gewinnen können.
uni:view: Sind unter den Mitglieder der Arbeitsgruppe hauptsächlich WissenschafterInnen?
Hitzenberger: Nein, die Gruppe setzt sich einerseits aus WissenschafterInnen, andererseits aus DLE-LeiterInnen, DekanatsmitarbeiterInnen und von der ÖH nominierten Studierenden zusammen. Es sind Personen, die sich schon länger mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen. Wir wollen außerdem externe ExpertInnen hinzuziehen. Zudem tauschen wir uns mit unseren strategischen Partnerunis aus.
uni:view: Nachhaltigkeit spiegelt sich auch am Arbeitsplatz wider: Wie sieht der Arbeitsplatz der Zukunft aus?
Hitzenberger: Er muss allen Vorschriften aus ArbeitsnehmerInnenschutz und Barrierefreiheit genügen. Das ist die Ausgangsbasis. Wichtig sind kommunikative Räume wie Shared Spaces oder Cooperative Spaces. Vor allem die Wissenschaft lebt vom Austausch – auch über Fachgrenzen hinweg. Beim Bibliotheksprojekt denken wir auch an Räume für Studierende, die nicht nur Leseplätze sind, sondern einerseits Räume für Kommunikation und Austausch als auch andererseits Ruhezonen, in die man sich zum konzentrierten Arbeiten zurückziehen kann. Der Arbeitsplatz der Zukunft sollte allen Menschen die Möglichkeit geben, sich und ihre Potenziale optimal zu entfalten. Es geht also um die Frage, welche Umgebung jemand dafür jeweils braucht.
uni:view: Wie kann man auf solche individuellen Bedürfnisse eingehen?
Hitzenberger: Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand, der an einem mathematischen Theorem arbeitet, von einem Großraumbüro begeistert ist. Personen, die gerne in Interaktion mit anderen sind, werden in Einzelbüros nicht glücklich werden – daher muss es beides geben. "One size fits all" gibt es an der Uni Wien nicht. Wir sind groß und sehr divers – auch innerhalb der verschiedenen Bereiche. Daher muss es, innerhalb eines bestimmten Rahmens, die größtmögliche Vielfalt geben.
uni:view: Wie schaut ein typischer Arbeitstag einer Vizerektorin aus?
Hitzenberger: Mein Kalender ist meist über den gesamten Tag mit Terminen und Besprechungen voll gespickt. Um halb sieben in der Früh öffne ich zum ersten Mal meinen Laptop und sehe nach, was über Nacht passiert ist – meist ist das so einiges. Sobald ich dann mein Büro betrete, weiß ich, dass der Tag bestimmt ganz anders wird als geplant.
uni:view: Geht Ihnen die Forschung ab?
Hitzenberger: Mein eigenes Fachgebiet vermisse ich schon etwas. Aber die Herangehensweise, die Art, wie ich in meiner jetzigen Funktion arbeite, unterscheidet sich gar nicht so sehr von der Forschungsarbeit. Kommt ein neues Thema herein, ob das nun die Immobilienverordnung zum Universitätsgesetz 2002 ist oder die Strukturänderung von braunem Kohlenstoff, beschaffe ich mir in kürzester Zeit die nötigen Informationen dazu, bringe Struktur in das Ganze und arbeite damit weiter. Daher bin ich davon überzeugt, dass ich auch in den nächsten vier Jahren täglich etwas dazu lernen werde!
uni:view: Vielen Dank für das Interview! (ps/td)
Regina Hitzenberger ist seit 2015 Vizerektorin für Infrastruktur. Sie studierte an der Universität Wien Physik, Astronomie und Mathematik und promovierte 1982. Nach Forschungsaufenthalten in den USA und Japan habilitierte sie sich 1993 und war ab 1997 zunächst außerordentliche Professorin an der Fakultät für Physik, seit 2012 ist sie Professorin für Aerosol- und Clusterphysik. Regina Hitzenberger ist unter anderem Mitglied in der American Association for Aerosol Research und der American Geophysical Union.