50 Jahre Institut für Judaistik

Das Institut für Judaistik feiert einen runden Geburtstag: Vor 50 Jahren, 1966, wurde es an der Universität Wien gegründet. Im Interview mit uni:view blicken Armin Lange, Klaus Davidowicz und Günter Stemberger sowohl in die Geschichte als auch in die Zukunft der Wiener Judaistik.

Am Donnerstag, 16. Juni 2016, wird das 50-jährige Bestehen des Instituts für Judaistik mit einem Festakt zelebriert. Nach den Grußworten von Claudia Theune-Vogt, Dekanin der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät, hält Peter Schäfer, Direktor des Jüdischen Museums Berlin, einen Festvortrag zum Thema "Zwei Götter im Himmel: Gottesvorstellungen im antiken Judentum". Im Rahmen der Jubiläumsfeier wird dem langjährigen Mitarbeiter und emeritiertem Professor Günter Stemberger eine Geburtstagsfestschrift überreicht. Weitergefeiert wird im Anschluss beim traditionellen Sommerfest in den Räumlichkeiten des Instituts für Judaistik am Campus der Universität Wien (Hof 7.3)

Anlässlich des runden "Geburtstags" sprach uni:view mit Institutsvorstand Armin Lange, stv. Institutsvorstand  Klaus Davidowicz und Emeritus Günter Stemberger über die 50-jährige Geschichte und heutigen Aktivitäten des Instituts.

Emeritus Günter Stemberger forscht und lehrt seit 1972 am Institut für Judaistik der Universität Wien (Foto: Universität Wien)

uni:view: Wie entstand die Judaistik an der Universität Wien?
Günter Stemberger:
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges erwirkte der damals 22-jährige und spätere Gründer des Instituts Kurt Schubert (1923-2007) bei der sowjetischen Besatzungsmacht die Wiederaufnahme des Universitätsbetriebs. Im Mai 1945 hielt er seine erste Vorlesung – "Hebräisch für Anfänger". 1959 gab es die erste außerordentliche Professur der Judaistik, noch im Rahmen der Orientalistik, 1966 etablierte sich schließlich ein eigenes Institut.

uni:view: 50 Jahre Institut für Judaistik. Was bedeutet das für Sie?
Armin Lange:
Die Möglichkeit, in Österreich über das Judentum aufzuklären und auf die Bedeutung des jüdischen Erbes für unsere Kultur hinzuweisen. Das Institut hat in den 50 Jahren, in denen es existiert, wesentlich dazu beigetragen, viele Generationen von AkademikerInnen nach der Shoa über die reiche und beeindruckende jüdische Kultur aufzuklären, um so Judenhass zu überwinden und Wertschätzung zu schaffen, wo Hass wuchs.

Klaus Davidowicz: Es bedeutet für mich, dass nach jahrzehntelangen Bemühen und Kämpfen endlich die jüdischen Studien ein Universitätsfach im deutschsprachigen Raum geworden ist.

Armin Lange ist Professor für das Judentum der Zeit des Zweiten Tempels und Vorstand des Instituts für Judaistik. (Foto: Photo Koch)

uni:view: Was hat sich im Laufe der Zeit am Institut verändert?
Stemberger:
Verändert haben sich zum einen die Räumlichkeiten, früher befand sich das Institut in der Ferstelgasse hinter der Votivkirche in einer großen Altbauwohnung. Heute sind wir am Campus der Universität Wien angesiedelt. Auch die Zusammensetzung der Studierenden hat sich verändert. Damals hatten wir viele Senior-Studierende und auch viele jüdische Studierende, die in der eigenen Familie nichts über das Judentum erfahren haben. Das ist heutzutage anders.

Davidowicz: Durch die Aufnahme weiterer KollegInnen kamen im Laufe der Jahre neueForschungs- und Lehrthemen ans Institut, in den Anfangsjahrzehnten gab es doch nur wenige Lehrende. Früher wurde der Hebräisch-Sprachunterricht fast ausschließlich durch LektorInnen bestritten, dadurch, dass wir dafür eine fixe Lehrstelle haben, können wir die LektorInnen für Themen einsetzen, die nicht durch die interne Lehre abgedeckt werden, wodurch die Judaistik ein wirklich viel breiteres Lehrangebot als vor 30 oder fast 20 Jahren hat.

Klaus Davidowicz ist Professor für Judaistik und stellvertretender Vorstand des Instituts für Judaistik. (Foto: Universität Wien)

uni:view: Was ist Ihr persönliches "Highlight" in der 50-jährigen Geschichte des Instituts?
Davidowicz:
Ein Highlight war der Beschluss des Instituts, auch an Persönlichkeiten aus der jüdischen Gemeinde, wie Oberrabbiner Eisenberg oder Oberkantor Barzilai, wiederholt Lehraufträge zu vergeben, um den Studierenden die Möglichkeit zu geben "gelebtes Judentum" kennenzulernen. Ein persönliches Highlight war es für mich, ehemalige Schüler aus dem ZPC-Gymnasium der jüdischen Gemeinde, an dem ich Jüdische Geschichte in der Oberstufe unterrichte, später als Studierende der Judaistik erleben zu dürfen.

Lange: Da kann ich nur von Highlights sprechen. Die gute Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde hat Klaus Davidowicz schon erwähnt. Dass Oberrabbiner Eisenberg und auch Oberkantor Barzilai bei uns unterrichten, ist eines dieser Highlights. Der unter Federführung des Instituts organisierte Weltkongress im Jahr 2014 ein weiteres. Hier kamen 1.000 Kolleginnen aus aller Welt zum International Meeting der Society of Biblical Literature nach Wien. Vor kurzem hat das Institut gemeinsam mit KollegInnen von der Hebräischen Universität in Jerusalem in Jerusalem eine Tagung zur Textgeschichte der Hebräischen Bibel organisiert.

uni:view: Und was wünschen Sie dem Institut für die nächsten 50 Jahre?
Stemberger:
Dass es als interdisziplinäres Fach in einer adäquaten Form weiter existiert, aber auch der ältere Bereich der Judaistik nicht vernachlässigt wird. Seit Jahren laufen zudem Versuche, eine Professur für Jiddisch zu bekommen, das halte ich für wünschenswert.

Davidowicz: Eine noch stärkere Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, wir sind keine Altertumswissenschaft, die ein ausgestorbenes Volk betrachtet, sondern ein Kulturhistorisches Fach, das das Judentum von der Antike bis zur Gegenwart erforscht und deren Kultur, Geschichte, Religion und Sprachen lehrt. Vor allem stört mich, dass immer wieder das Judentum als "sonstige außereuropäische Kultur" oder "Fremdes" betrachtet wird. Das Judentum war und ist ein Teil der europäischen Geschichte und gerade auch der Wiener Geschichte.

Lange: Verbesserte Möglichkeiten unserem akademischen Aufklärungsauftrag nachzukommen. Die neuen Studienstrukturen machen es für Studierende anderer Fächer immer schwieriger, Lehrveranstaltungen in der Judaistik zu besuchen. Wir haben am Institut mit der Erforschung des Antisemitismus von der Antike bis heute einen neuen Forschungsschwerpunkt gesetzt, der sich auch in Lehrveranstaltungen niederschlägt. Diesen Forschungsschwerpunkt weiter auszubauen, wäre angesichts des weltweit, aber auch in Österreich, wieder zunehmenden Antisemitismus sehr wichtig. (mw)

50 Jahre Institut für Judaistik der Universität Wien
Donnerstag, 16.06.2016, 18:00 Uhr
Institut für Judaistik (Hörsaal 1)
Campus der Universität Wien, Hof 7.3, 1090 Wien
Programm