Home-Schooling und Distance-Learning als Herausforderung

Alternativtext: Mädchen lernt zu Hause auf Schreibtisch mit Laptop

Laut Studien der Universität Wien können Lehrende und Schüler*innen mit Distance-Learning besser umgehen. Gleichzeitig geht die Schere zwischen lernstarken und lernschwachen Schüler*innen immer weiter auseinander. Das liegt auch am abnehmenden Wohlbefinden während der Pandemie.

Die Corona-Pandemie stellt Schüler*innen sowie Lehrkräfte vor große Herausforderungen. Studien der Universität Wien vom Institut für Bildungspsychologie und vom Institut für Lehrer*innenbildung zeigen, wie sich das Lernverhalten während COVID-19 verändert hat.

Selbstorganisation als große Challenge

Bildungspsycholog*innen rund um Christiane Spiel, Barbara Schober und Marko Lüftenegger befragten im Jahr 2020 insgesamt viermal zwischen 2.400 und 13.000 Schüler*innen. Die Ergebnisse wurden im April, Mai, Juni und im Dezember 2020 veröffentlicht.

Bei der Datenerhebung wurden Schüler*innen im Alter zwischen zehn und 19 Jahren zur veränderten Lernsituation befragt. Im Fokus stand dabei, wie Kinder und Jugendliche ihren Alltag bewältigen und welche Risikofaktoren das Home-Learning mit sich bringt.

Bei der ersten Befragung im April 2020 wurde die selbstständige Auseinandersetzung mit den Aufgabenstellungen als zentrale Herausforderung genannt. 70 Prozent der Befragten machten sich als Hilfestellung beim Lernen einen Plan über die zu erledigenden Aufgaben. Fixe tägliche Lernzeiten wurden allerdings lediglich von gut einem Drittel eingehalten.

Digitale Kompetenz nimmt zu

Im Mai 2020 hat das Forschungsteam rund um Christiane Spiel knapp 1.800 Lehrkräfte befragt. Diese gaben an, dass sie mit dem Unterricht zu Hause gut zurechtkommen würden: Mehr als 70 Prozent stimmten dieser Aussage sehr oder ziemlich zu. Die Mehrheit der Lehrenden gab an, auch über eine geeignete technische Ausstattung zu verfügen. Je eher der Unterricht mittels eigener Infrastruktur abgehalten werden konnte, desto problemloser verlief dieser.

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Rund 90 Prozent der Lehrkräfte konnten im Mai 2020 der Aussage zustimmen, dass die persönliche Beziehung zu den Kindern und Jugendlichen während des Home-Learnings überwiegend positiv war. Besonders gut gelang die individuelle Betreuung der Schüler*innen durch persönliche Rückmeldung. Weniger gut funktioniere die Einschätzung von Lernschwächen, so die Pädagog*innen. Schüler*innen, die mehr Unterstützung brauchten, waren zudem via Online Unterricht schlechter zu erreichen. Die Lehrkräfte gaben zudem an, dass sich die Probleme von ohnehin benachteiligten Schüler*innen sogar noch verschlimmert hatten.

Passendes Equipment für Home-Schooling

Dass der Unterricht von zu Hause eine Herausforderung war, zeigte auch eine Studie von Susanne Schwab und ihrem Team vom Zentrum für Lehrer*innenbildung. Sie befragte im Mai 2020 knapp 3.500 Lehrkräfte zum Home-Schooling und der Bewältigung der Herausforderungen durch die derzeitige Pandemie. Demnach fühlen sich 74 Prozent der Lehrkräfte im Mai 2020 belastet. 69 Prozent glaubten zu diesem Zeitpunkt, dass es den Schüler*innen auch so gehe.

Ein konstantes Problem beim Lernen von zu Hause sind die fehlenden Ressourcen. Viele Eltern hätten ungenügend Zugang zu pädagogischen Materialien. Zudem fehlte etwa einem Drittel der Kinder und Jugendlichen – laut Einschätzungen der Lehrkräfte – der Zugang zu einem Computer. Besonders diese Gruppe litt bisher unter dem fehlenden persönlichen Kontakt, so die Ergebnisse des Zentrums für Lehrer*innenbildung.

Schwer einzuschätzen war für die Lehrenden im Mai 2020 das Entwicklungsrisiko in den Deutschförderklassen und -gruppen mit niedrigem sozio-ökonomischem Status. Bei diesen Angeboten ist die Rolle der Eltern und Erziehungsberechtigten elementar. Laut Einschätzung der Pädagog*innen war es in solchen Fällen schwer, die Eltern in einer unterstützenden Rolle in den Unterricht einzubinden.

Wohlbefinden sinkt bei Jugendlichen

Bei einer weiteren Befragung Ende 2020 durch Bildungspsycholog*innen rund um Christiane Spiel zeigte, dass das Home-Schooling und die Monate des Distance Learnings durchaus Spuren hinterließ – vor allem bei den Jugendlichen. Gut ein Viertel der Oberstufenschüler*innen fühlte sich laut der Befragung im Dezember 2020 mit der Situation nicht mehr besonders gut. Die Stimmung hatte sich also im Vergleich zum ersten Lockdown im Frühling 2020 verschlechtert. Diese Einschätzung hing auch vom Alter der Kinder und Jugendlichen ab: Nur etwa halb so viele Pflichtschüler*innen empfanden im Dezember eine gedrückte Stimmung.

Der Trend setzte sich auch bei der Frage nach der Lernfreude fort: Während diese bei Pflichtschüler*innen im Vergleich zum Frühling 2020 leicht stieg, ließ die Motivation bei vielen Oberstufenschüler*innen nach. Gründe dafür waren Leistungsdruck und die Ungewissheit, wie es mit dem Unterricht weitergehen sollte.

Mehr Zeit am Schreibtisch

Ein weiterer Trend: Die Schüler*innen verbrachten seit Beginn des Home-Schoolings im Frühling immer mehr Zeit am Schreibtisch. Der Durchschnitt investierte im Dezember 2020 rund sieben Stunden pro Tag für die Schule und alle damit einhergehenden Aufgaben. Im Frühling 2020 waren es durchschnittlich nur fünf Stunden.

Auffallend war, dass das Erledigen der Aufgaben im Dezember besser oder zumindest gleich gut funktionierte als zu Beginn des Home-Learnings. Dem stimmten etwa 80 Prozent der Schüler*innen Ende 2020 zu. Sie konnten laut Befragung aus dem Distance-Schooling auch etwas für die Zukunft lernen: Je besser die Organisation, desto leichter ist das Lernen von zu Hause aus. Die Forscher*innen sprachen deshalb die Empfehlung aus, die selbstständige Lernorganisation im Unterricht zu besprechen und zu reflektieren.