Schöne, neue Arbeitswelt

Die vormals staatlichen Betriebe Post AG und AMS werden heute als dienstleistungsorientierte Unternehmen geführt. Wie die jeweiligen MitarbeiterInnen mit den neuen Anforderungen zurechtkommen, untersuchen die SozialwissenschafterInnen Birgit Sauer und Otto Penz von der Universität Wien.

Der 31. Mai 2006 war der erste Handelstag der Post AG an der Wiener Börse: Diese Umstellung der österreichischen Post in die Post AG hat im gesamten Unternehmen für gravierende Veränderungen gesorgt. Welche Auswirkungen diese Umstrukturierungen konkret für SchalterbeamtInnen hatten, untersuchten die Politikwissenschafterin Birgit Sauer und der Soziologe Otto Penz in einem vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank geförderten und bereits 2010 abgeschlossenen Projekt – derzeit schauen sie sich die Situation im AMS Österreich an.

Neue Anforderungen – hohe Unzufriedenheit

"Wir möchten betonen, dass es in unserem Projekt nicht darum ging, die Post schlecht zu machen", erklären Sauer und Penz: "Uns interessiert, wie die MitarbeiterInnen am Schalter mit der veränderten Arbeitssituation umgehen – was diese für ihren Arbeitsalltag bedeutet. Von Managementseite wurde unser Projekt positiv aufgenommen – wir präsentierten auch unsere Forschungsergebnisse, um die Zufriedenheit der MitarbeiterInnen erhöhen zu können."


"Generell herrscht eine recht hohe Unzufriedenheit unter den PostmitarbeiterInnen am Schalter", erklärt Projektleiterin Birgit Sauer: "Einerseits verlangt das Management von ihnen, motiviert und freundlich zu sein, andererseits werden sie via EDV-System kontrolliert – z.B. wie lange die Kundenkontakte jeweils dauern, etc."



Selbst Burn-Outs gab es zur Zeit der Untersuchung unter den SchalterbeamtInnen. Die ForscherInnen führen dies auf die hohen Anforderungen gepaart mit der ständigen Veränderung der Arbeitsprozesse zurück.

Prestigeverlust: "Nur noch" VerkäuferIn
 
"Am Anfang jeder Woche werden die Verkaufsziele vom Management präsentiert, es gibt eigene Verkaufsschulungen für MitarbeiterInnen und auch Boni-Systeme zur Motivation. Die Qualität der Dienstleistungen in den Filialen wird regelmäßig überprüft", fasst Soziologe Otto Penz zusammen: "All das führt für viele zu Stress und Überforderung. Auch weil der Arbeitsplatz nicht mehr als so sicher gilt wie früher. Gerade ältere SchalterbeamtInnen kommen mit der neuen Situation nicht sehr gut zurecht."

"Aus den mehr als 15 qualitativen Interviews, die wir mit SchalterbeamtInnen im Rahmen des Projekts geführt haben, hat sich klar herauskristallisiert, dass ihr Arbeitsplatz für sie selbst durch die Unternehmensumstellung einen Prestigeverlust erfahren hat", so Sauer: "Sie sehen, dass das Image ihres Berufs gelitten hat." Hinzu kommt durch die interne Kontrolle der jeweiligen Arbeitsleistung auch ein Wettbewerbsdruck untereinander hinzu, der für viele zu Stress führt.

Neue Anforderungen an Arbeitsvermittlung

Im aktuell laufenden FWF-Projekt "Affektive Arbeit in der Arbeitsvermittlung" untersuchen die beiden ForscherInnen – ganz ähnlich wie im Vorgängerprojekt mit der Post AG – die neuen Anforderungen an die ArbeitsvermittlerInnen des Arbeitsmarktservice Österreich (AMS). "Der große Unterschied zur Post AG liegt darin, dass das AMS nichts Konkretes verkauft. Ihre 'Ware', also Arbeitsplätze, ist sehr knapp bemessen."


In einem aktuellen FWF-Projekt untersuchen die SozialwissenschafterInnen der Universität Wien, wie die ArbeitsvermittlerInnen des AMS den Herausforderungen, die mit der neuen Unternehmensstruktur einhergehen, gewachsen sind. (Foto: AMS/Petra Spiola)



Auch beim AMS wurde aufgrund der neuen Unternehmensstruktur das Arbeitsprofil verschärft und an die MitarbeiterInnen neue Anforderungen gestellt. So sind u.a. Kennzahlen eingeführt worden, um den Erfolg der Arbeit zu messen, wie z.B. die Langzeit- oder die Jugendarbeitslosigkeit – die Ziele sind dabei genau definiert. "Es gibt dabei durchaus Konkurrenz zwischen den verschiedenen AMS-Filialen", so Otto Penz. Gleichzeitig verlangt das AMS vermehrt Gegenleistungen der Arbeitslosen für seine Leistungen, insbesondere aktives Engagement bei der Arbeitssuche. Wie auch bei der Post AG sind sowohl MitarbeiterInnen wie Arbeitssuchende stärkeren Kontrollen "von oben" unterworfen.

Interviews, Videos und Emotionen

Ob auch die AMS-MitarbeiterInnen aufgrund der erhöhten Anforderungen seit der Ausgliederung mehr unter Stress stehen, können die WissenschafterInnen noch nicht konkret sagen, da der empirische Projektteil erst im Dezember 2013 begonnen wurde. Generell ist das neue FWF-Projekt umfassender als das Post-Projekt angelegt, so werden auch Arbeitsvermittlungsstellen in München und Bern untersucht und dann mit der Situation in Wien verglichen. "Auch wollen wir bei dieser Forschung methodisch etwas anders vorgehen. So werden wir Interviews auf Video aufzeichnen – beim Post-Projekt haben wir nur Audiointerviews geführt – und diese dann auch hinsichtlich der Emotionen, die bei den Beratungsgesprächen im Spiel sind, analysieren", so Penz.

Neben Interviews mit den ArbeitsvermittlerInnen – Video und Audio – werden die ForscherInnen Beratungsgespräche beobachten und sogenannte Gefühlsprotokolle erstellen. Emotionen, Körpersprache und Mimik geben viel über die Befindlichkeiten der Personen Preis – nach dem Motto: "Ein Blick sagt mehr als tausend Worte". Wie auch die Post AG war das AMS von Beginn an sehr entgegenkommend, was die Zusammenarbeit mit den WissenschafterInnen betrifft. "Natürlich können sie ebenso von unseren Ergebnissen zur MitarbeiterInnenzufriedenheit profitieren – ManagerInnen wie ArbeitsvermittlerInnen", so Birgit Sauer abschließend. (td)

Das FWF-Projekt "Affektive Arbeit in der Arbeitsvermittlung" unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Birgit Sauer und Mitarbeit von Mag. Dr. Otto Penz startete im April 2013 und läuft bis April 2016.