Unbekannte Nachbarn

Am 9. November erschien die neueste Ausgabe von "univie", dem Magazin des Alumniverbands für die AbsolventInnen und MitarbeiterInnen der Universität Wien. Schwerpunktthema des aktuellen Hefts: Leben im All. Lesen Sie einen ausgewählten Artikel von Evelyn Kanya über Forschungen an der Universität Wien u.a. zu den Themen Exoplaneten, die Stabilität von Planetenbahnen und interstellare Kommunikation.

Eine Woche lang wird die Uratmosphäre mit Blitzen beschossen, bevor Dirk Schulze-Makuch die Probe entnimmt. Dann haben sich in der braunen Suppe, die dabei entsteht, die Grundbausteine des Lebens gebildet: Aminosäuren. Das berühmte Miller-Urey-Experiment aus den 1950ern simuliert, wie Leben auf der Erde entstanden sein könnte. Der renommierte Astrobiologe Dirk Schulze-Makuch stellt es in den Laboren der Washington State University nach, aber eigentlich nur um zu testen, ob der Apparat funktioniert. Denn die WissenschafterInnen der internationalen Forschungsplattform ExoLife, die von der Universität Wien geleitet wird, wollen ein anderes Süppchen kochen: Könnte Leben auch in einer erdfremden Atmosphäre entstehen, auf einem anderen Planeten?

Irdischer Einheitsbrei

So vielfältig es sich zeigt, so einheitlich ist das Leben auf der Erde. Alle Lebewesen, von der Mikrobe bis zum Menschen, basieren biochemisch auf Wasser und den Elementen Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Schwefel und Phosphor. Das sei kein Grund anzunehmen, dass es nicht auch anders gehen könnte, sagt Maria Firneis, Professorin am Institut für Astronomie und Leiterin der Forschungsplattform ExoLife, an der neben der Washington State University auch die Slowakische Universität für Bodenkultur und die Akademie der Wissenschaften beteiligt sind. Statt in Wasser könnte sich Leben auch in flüssigem Methan oder Ethan entwickeln, in Schwefelsäure oder einem Wasser-Ammoniak-Gemisch, vermuten die WissenschafterInnen. Auch die Schlüsselelemente könnten andere sein. Einige der alternativen Flüssigkeiten wären wesentlich hitzebeständiger als Wasser, derart exotische Lebewesen könnten in Gegenden wohnen, die bisher als lebensfeindlich galten.

Bewohnbar ist nach klassischem Verständnis der Bereich in einem Planetensystem, in dem flüssiges Wasser vorkommt. Diese sogenannte "habitable Zone" ist meist ein sehr schmaler Streifen. In unserem Sonnensystem befindet sich nur die Erde darin, in weniger strengen Berechnungen auch noch der Mars. Die AstronomInnen, GeologInnen, PhysikerInnen und EvolutionsbiologInnen von ExoLife schließen Leben auch auf anderen Himmelskörpern nicht aus: Auf dem Saturnmond Titan mit seinen Methan- und Ethanseen, auf der Venus, auf der es Schwefelsäure regnet, oder auf dem Jupitermond Europa, unter dessen Oberfläche ein ganzer Ozean aus Wasser angenommen wird. "Wir erwarten nicht, dort intelligentes Leben zu finden, sondern eher Bakterien", betont Maria Firneis. "Intelligentes Leben in unserem Sonnensystem hätten wir längst bemerkt, oder sie uns." Im Labor der Washington State University wurde kürzlich ein dem Titan nachempfundener Atmosphären-Cocktail mit Blitzen beschossen. Würden sich in der Titansuppe organische Moleküle bilden, wäre das eine Bestätigung dieser Theorie – und eine kleine Sensation. Ein paar Wochen ist die Suppe noch im Labor.

"Wie fischen ohne Köder"

Es gibt außerirdisches Leben, ist die Astrobiologin Maria Firneis sicher. "Nichts in diesem Universum gibt es nur einmal, das sehen wir schon auf der Erde: Die Augen von Säugetieren und Kraken haben sich unabhängig voneinander sehr ähnlich entwickelt." Auch die Dimensionen des Universums sprechen dafür: Allein in unserer Galaxie, der Milchstraße, werden 300 Milliarden Sterne vermutet, mindestens 100 Milliarden Galaxien gibt es. Vielleicht wurde auch deswegen noch kein außerirdisches Leben gefunden, weil wir zu sehr auf irdische Vorbilder fixiert waren, meint Firneis. Sie möchte den Geozentrismus in der Astronomie aufbrechen. Es sind drei Fragen, an denen die ExoLife-WissenschafterInnen seit 2009 arbeiten: Was ist Leben? Welche alternativen Lösungsmittel kommen für die Entstehung von Leben in Frage? Wo sollten zukünftige Raumfahrtmissionen oder Sonden suchen?

Ob der Mensch Leben überhaupt universal definieren könne, sei fraglich, sagt Johannes Leitner, einer von Firneis Mitarbeitern am Institut für Astronomie, "schließlich kennen wir nur eine Stichprobe von Leben." Trotzdem hat er in den vergangenen Monaten an einer Definition getüftelt: "Ohne zu wissen, was Leben eigentlich ist, können wir nicht danach suchen – das ist wie fischen ohne Köder." Die bestehenden Definitionen, mindestens 360 gibt es, seien keine große Hilfe, zeigt er an der Arbeitshypothese der NASA: "Leben ist ein sich selbst erhaltendes chemisches System, das zur Darwin'schen Evolution fähig ist – das klingt elegant, ist aber problematisch. Evolution lässt sich nur über Jahrhunderte messen und auch Feuer ist ein sich selbst erhaltendes chemisches System." Johannes Leitners Definition ist fertig, und er ist zufrieden. Die Essenz: Leben besteht aus Makromolekülen, die einen Stoffwechsel durchlaufen können, es interagiert mit einem Lösungsmittel und kann sich selbst erhalten.


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